Die Deutsche Burschenschaft und die Minderheiten
Für die einen Relikt, für andere Gewissen: Die Deutsche Burschenschaft hält an einem Vaterlandsverständnis fest, das im modernen Europa kaum noch Platz hat und darin ihre zeitgemäße Rolle findet.
Burschenschafter und Schlesiendeutsche bei der Überführung der Gebeine Friedrichs des Großen nach Potsdam 1991. (Symbolbild)
© IMAGO / Rolf ZöllnerErst kürzlich erzielte der größte burschenschaftliche Dachverband, die Deutsche Burschenschaft (DB), einen nachhaltigen Erfolg bei der Sprachförderung für die deutsche Minderheit im polnisch verwalteten Schlesien. Nachdem der polnische Staat nach jahrelanger Kritik an den Förderprogrammen der Minderheiten die Mittel für Sprachunterricht in Deutsch in Schlesien massiv gekürzt hatte, suchte man schnell nach Mitteln, um den Erhalt dieser regionalen Kultur zu sichern. Durch einen Besuch von Schülern aus dem schlesisch-deutschen Ort Goslarwitz in Kärnten konnten durch Burschenschafter nicht nur ein anregender Kulturaustausch organisiert, sondern auch das Bekenntnis der Deutschen Burschenschaft zum Deutschtum in allen europäischen Staaten unter Beweis gestellt werden.
Grenzenloses Vaterland
Für die Deutsche Burschenschaft endet das Vaterland nicht an heutigen Staatsgrenzen. In ihrer Verfassung heißt es, die Burschenschaft bekenne sich „zum deutschen Vaterland als der geistig-kulturellen Heimat des deutschen Volkes“ und sehe es als Pflicht an, „für die freie Entfaltung deutschen Volkstums in enger Verbundenheit aller Teile des deutschen Volkes, unabhängig von staatlichen Grenzen“ zu wirken. Auch „das Recht jedes Volksteiles auf seine angestammte Heimat und auf Selbstbestimmung“ wird ausdrücklich betont. Daraus erwächst für viele Burschenschafter die Überzeugung, dass sie sich solidarisch mit den deutschsprachigen Minderheiten in Europa zeigen müssen – sei es in Südtirol, Siebenbürgen, Schlesien oder im Baltikum. Diese Verbundenheit gilt als Ausdruck historischer Verantwortung und kultureller Treue und zur Bewahrung gemeinsamer Sprache, Bildung und Tradition im Geist der deutschen Einheit.
Auch an anderer Stelle zeigt sich die Verbundenheit der Burschenschaftlichen Bewegung mit den ehemals oder immer noch von Deutschen bewohnten Gebieten jenseits der beiden deutschsprachigen Republiken. Burschenschaften wie die Burschenschaft Thessalia zu Prag in Bayreuth, Alte Breslauer Burschenschaft der Raczeks zu Bonn oder die Alte Königsberger Burschenschaft Alemannia in Kiel sind nicht nur dem Namen nach mit ihren alten Hochschulorten verbunden. Viele Verbindungen inner-, aber auch außerhalb der DB, die ihren ursprünglichen Sitz außerhalb des derzeitigen Staatsgebietes Deutschlands und Österreichs haben, pflegen die Traditionen über Bräuche, Liedgut oder regelmäßige Fahrten bis heute weiter.
Mit dem Recht für das Recht
Ein Volk in vielen Staaten, das deutsche Volk als „Gemeinschaft, die durch gleiches geschichtliches Schicksal, gleiche Kultur, verwandtes Brauchtum und gleiche Abstammung verbunden ist.“ Für die Deutsche Burschenschaft und ihre Mitgliedsbünde leitet sich daraus der Gedanke ab, das deutsche Volkstum als geistige Einheit zu begreifen, die auch dort fortbesteht, wo keine politischen Grenzen sie mehr markieren. Daraus leitet sich eine Pflicht ab, die die DB selbst formuliert: das „rechtsstaatliche Wirken für die freie Entfaltung deutschen Volkstums in enger Verbundenheit aller Teile des deutschen Volkes“.
Das Vaterland ist der normative Bezugspunkt burschenschaftlichen Handelns: es begründet kulturelle und moralische Verantwortung gegenüber allen Deutschen, gleich ob sie in Deutschland, Österreich oder als Minderheiten in anderen europäischen Staaten leben. Diese Verantwortung der Deutschen Burschenschaft findet auch im Verein für nationale Minderheiten- und Volksgruppenrechte in Europa Ausdruck, in dem sich der Burschenschafter Dr. Bruno Burchhart (Wiener akademische Burschenschaft Olympia) seit Jahren mit Herzblut dieser Aufgabe widmet.
Auch wenn alle mitmachen, ich nicht
Heute steht die DB vor der Herausforderung, ihr historisches Erbe in eine Gegenwart zu übertragen, die sich von den politischen und geistigen Bedingungen des 19. und 20. Jahrhunderts stark unterscheidet. Der Begriff des Vaterlandes, einst aus der Idee nationaler Einheit geboren, wird von vielen entweder als nationalromantischer Kitsch belächelt oder als Metastase des Faschismus bekämpft. Auch andere korporative Dachverbände kritisieren die Deutsche Burschenschaft aufgrund ihres klaren Vaterlandsbezugs und Haus- und Kontaktverbote an DB-Verbindungen gehören zum Alltag des Kulturkampfes, der längst nicht nur in den Parlamenten stattfindet.
Die Begriffe von Volk und Vaterland sehen sich heute wie nie in ihrer Substanz angegriffen und die Burschenschaften bieten womöglich den stärksten Gegensatz zu diesen Auflösungserscheinungen. Was aus der Zeit gefallen wirkt, ist jedoch brandaktuell: Zwischen den Zeilen romantischer Kommerslieder ist ein tiefes Verständnis der eigenen Herkunft gewoben und der Wille, diese zu erhalten und weiterzutragen. Diese Forderung zum Erhalt des Eigenen ist in keiner anderen Gemeinschaft so klar formuliert wie in der Deutschen Burschenschaft. Sie steht für das Prinzip, das im modernen Europa selten geworden ist: den Glauben, dass Herkunft Verantwortung bedeutet.