Wer hat X bisher den Rücken gekehrt? Fünf Beispiele im Überblick
Einschränkung der Meinungsfreiheit, Mobbing und Hassreden, Verbreitung von Fake News – das sind nur einige der Vorwürfe gegen X, wegen denen Kritiker die Kurznachrichtenplattform verlassen haben. FREILICH stellt anhand von fünf Gruppen Beispiele vor, die sich in den vergangenen Wochen und Monaten von Musks Plattform verabschiedet haben.
2022 übernahm Tesla-Chef Elon Musk die Kurznachrichtenplattform Twitter und benannte sie 2023 in „X“ um. Musk versprach damals, für mehr Meinungsfreiheit zu kämpfen, doch Kritiker sahen in der Übernahme eher eine „Gefahr für die Demokratie“. Seither sieht sich der Milliardär immer wieder mit solchen Vorwürfen konfrontiert – und auch mit dem Abgang zahlreicher Kritiker von der Plattform. Viele von ihnen wechselten später zum Konkurrenten Bluesky.
Medien und Medienmacher
Zu den schärfsten Kritikern Musks gehören zahlreiche Medien und Medienschaffende. So verließen im vergangenen Jahr die britische Tageszeitung The Guardian oder der Schweizer Fernsehsender SFR die Kurznachrichtenplattform. Auch der Abgang von mehr als 20 bekannten österreichischen Journalisten im November 2024, darunter ORF-Journalist Armin Wolf, Falter-Chefredakteur Florian Klenk und Puls4-Moderatorin Corinna Milborn, sorgte für großes Aufsehen. „Das war‘s für mich mit Twitter“, schrieb Wolf damals. Elon Musk habe das soziale Medium als „konstruktive Diskurs-Plattform“ zerstört, so seine Begründung. „Twitter wurde X — und von Irren geflutet: Propaganda-Bots, Neonazis, Rassisten, Sexisten, Incels, Verschwörungsparanoiker, Fake News und Bullies ohne Ende. Und alles ohne Konsequenzen.“ Falter-Chefredakteur Klenk bezeichnet X bei seinem Abschied als „von rechtskradikalen Trollen vergiftete Jauchegrube“.
Das war‘s für mich mit Twitter. Nach knapp 16 Jahren wird dieser Account stillgelegt. Sie finden mich ab sofort auf Bluesky: bsky.app/profile/arminw… - und natürlich auf meinem Blog. Dort erkläre ich auch warum: arminwolf.at/2024/11/17/twi… Danke für viele super Jahre hier! #eXit
Autoren, Schauspieler und Sänger
Aber nicht nur national bekannte Medienschaffende haben ein Zeichen gesetzt, sondern auch Personen mit international bekannten Namen. So verließen im vergangenen Jahr der vor allem für seine Horrorromane bekannte US-Autor Stephen King, die Schauspieler Jamie Lee Curtis, Barbara Streisand, Jim Carrey, Whoopi Goldberg oder auch Sänger wie Elton John und Moby die Kurznachrichtenplattform. King begründete seinen Ausstieg damals damit, dass die Atmosphäre „zu toxisch“ geworden sei. Supermodel Gigi Hadid, die ihren Twitter-Account bereits Ende 2022 deaktiviert hatte, erklärte, dass die Plattform schon seit langem, „aber vor allem unter der neuen Führung“, immer mehr zu einem „Sumpf aus Hass und Bigotterie“ geworden sei – kein Ort, an dem sie sein wolle.
Politiker und Ministerien
Zuletzt war Musk vor allem in Deutschland in die Kritik geraten, weil er kürzlich in einem Gastbeitrag für die Welt erklärt hatte, nur die AfD könne Deutschland noch retten. Zahlreiche Politiker warfen ihm wenige Wochen vor der vorgezogenen Bundestagswahl im Februar Wahleinmischung vor. Erst diese Woche rief der bayerische Digitalminister Fabian Mehring (Freie Wähler) in einem Interview dazu auf, X zu boykottieren. Er selbst hat die Plattform, die er als „gigantische Fakenews-Maschine“ bezeichnet, bereits im Dezember 2024 verlassen. Kurz darauf kündigte auch das bayerische Digitalministerium an, seine Aktivitäten auf X „mit sofortiger Wirkung“ einzustellen. „Desinformation und der Umgang mit Fakten sind für uns nicht verhandelbar“, hieß es damals in der Erklärung.
Auch die Landtagsfraktionen der Freien Wähler und der SPD beendeten ihre Aktivitäten auf der Plattform. „Heute stellen wir unsere Aktivitäten auf X ein“, schrieb die FW-Fraktion damals. SPD-Fraktionschef Holger Grießhammer teilte mit: „Ich sehe keinen Grund, auf X zu bleiben, und habe meinen persönlichen Account wie auch den der Fraktion bereits gelöscht. Meine Stellvertreter Volkmar Halbleib, Anna Rasehorn, Doris Rauscher und Arif Taşdelen werden dasselbe tun.“ Zuvor hatten bereits andere Politiker die Plattform verlassen, darunter die Grünen-Politikerin Jamila Schäfer und die SPD-Politikerin Sawsan Chebli.
Über 60 Hochschulen sagen ade
Vor wenigen Tagen wurde bekannt, dass auch mehr als 60 deutschsprachige Hochschulen und Wissenschaftseinrichtungen X verlassen. Die Nutzung des Plattform widerspreche ihren Grundwerten wie Transparenz und wissenschaftlicher Integrität, hieß es in einer gemeinsamen Erklärung. Man wolle sich für eine „faktenbasierte Kommunikation“ und gegen „antidemokratische Kräfte“ einsetzen. Die Voraussetzungen dafür seien auf der Plattform, auf der zunehmend rechtspopulistische Botschaften verbreitet würden, nicht mehr gegeben.
Zu den Hochschulen, die künftig nicht mehr auf X vertreten sein werden, gehören die Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, die Freie Universität und die Humboldt-Universität Berlin, die Universität Frankfurt und die Universität Heidelberg. Bereits vor mehr als einem Jahr hatte die Universität Innsbruck als erste österreichische Hochschule die Plattform verlassen und war zu Mastodon gewechselt, wie sie stolz in einer Mitteilung erklärt, in der sie „mit einer Beteiligung an der jetzigen konzertierten Ausstiegsaktion nochmals ihre Unterstützung der Anliegen unterstreichen“ möchte.
Bundesligisten nicht mehr auf X
Neben Medien, Politikern, Prominenten sowie Universitäten haben inzwischen auch zahlreiche Vereine die Kurznachrichtenplattform verlassen. Im November gaben beispielsweise die Bundesligisten Werder Bremen und St. Pauli sowie der Drittligist Hansa Rostock die Löschung ihrer X-Accounts bekannt. Bereits 2023 hat sich der Drittligist 1. FC Magdeburg von X zurückgezogen. Die Gründe für das X-Aus sind unterschiedlich: Werder Bremen kritisiert in einem Statement auf seiner Homepage die „zunehmende Radikalisierung“ auf X und nennt die „toxische“ Entwicklung als Hauptgrund. Es werde auf der Plattform nahezu nichts mehr sanktioniert. Die Algorithmen und Steuerung der Plattform X sei vollkommen intransparent.
Der US-Milliardär Musk habe Twitter nach der Übernahme in eine Hassmaschine verwandelt, hieß es in der Erklärung auf der Website von St. Pauli. „Rassismus und Verschwörungslegenden verbreiten sich ungehindert oder werden sogar kuratiert.“ Hansa Rostock hingegen sah im Rückzug rein praktische Vorteile und entschied sich strategisch für die Konzentration auf reichweitenstärkere Plattformen. Der 1. FC Magdeburg hingegen kritisierte etwa das Bezahlmodell rund um den blauen „Verifizierungs-Haken“.
Doch nicht nur Fußballvereine zogen sich zuletzt von X zurück. Außerhalb der Fußballwelt hat sich inzwischen auch der Deutsche Volleyball-Verband (DVV) entschieden, sich von X zu verabschieden. „Die Plattform hat für uns an Relevanz verloren, insbesondere angesichts ihrer Entwicklungen in den letzten Monaten“, teilte der Verband der dpa mit.
Nicht alle wandern ab
Unterdessen bleiben andere Vereine weiterhin auf X. Die Gründe dafür sind unter anderem wirtschaftlicher Natur. Viele erzielen auf der Plattform eine große Reichweite und können so leichter Sponsoren gewinnen. Anderen, wie dem VfB Stuttgart, ist es wichtig, die eigenen Werte über die Plattform zu kommunizieren: „Der VfB positioniert sich – gerade auch auf 'X' – unmissverständlich gemäß seiner Werte und steht dafür aktiv ein“, begründete der Verein beispielsweise seinen Verbleib auf X. Auch Prominente und viele Politiker bleiben bei X, einige gaben aber an, die Entwicklung der Plattform genau zu verfolgen und ihre Entscheidung gegebenenfalls entsprechend anzupassen.