Bundesregierung prüft stärkere Einbindung des Staates in Rüstungsprojekte
Die Bundesregierung will die Rüstungsproduktion ankurbeln. Wie aus einem internen Papier hervorgeht, soll sich der Staat künftig leichter als bisher an Unternehmen und Projekten beteiligen können. Das stößt auf Kritik – auch bei der AfD.
Berlin. – Die Ampelregierung plant eine umfassende Reform der Rüstungspolitik, um die Beteiligung des Bundes an Rüstungsunternehmen und -projekten zu vereinfachen. Ein internes Papier, über das das Handelsblatt berichtet, deutet auf geplante Maßnahmen hin, die eine schnellere Genehmigung von Rüstungsprojekten und einen besseren Zugang der Unternehmen zu Finanzierungen vorsehen.
Das Papier, das sich noch in der Abstimmung zwischen den Ministerien von Boris Pistorius (SPD, Verteidigung), Robert Habeck (Grüne, Wirtschaft), Annalena Baerbock (Grüne, Außenpolitik) und Christian Lindner (FDP, Finanzen) befindet, enthält auch einen umstrittenen Punkt: Der Staat soll sich künftig leichter an Rüstungsunternehmen beteiligen können, wenn strategisch wichtige Projekte nicht zügig vorankommen. Eine solche Regelung dürfte sowohl in der Industrie als auch in der Politik auf Widerstand stoßen.
Staat will Rüstungsindustrie ankurbeln
Bereits unter der Regierung von Angela Merkel hatte der Bund im Jahr 2020 25,1 Prozent der Anteile am Rüstungskonzern Hensoldt übernommen und verfügt damit über eine Sperrminorität. Außerdem ist der Bund mit rund elf Prozent an der Airbus-Gruppe beteiligt, zu der auch eine Rüstungssparte gehört. In Zukunft könnte eine Beteiligung an Thyssen Krupp Marine Systems, einem führenden Hersteller konventioneller U-Boote, folgen.
Trotz dieser bereits bestehenden Beteiligungen wird in Regierungskreisen betont, dass die geplanten Erleichterungen nicht auf einzelne Unternehmen oder Projekte abzielen. Vielmehr gehe es darum, generell flexibler auf sicherheitsrelevante Entwicklungen reagieren zu können. Ein Beispiel für die Notwendigkeit solcher Reformen ist das gescheiterte Vorhaben von Rheinmetall, in Großenhain eine Pulverfabrik zu errichten. Verzögerungen durch bürokratische Hürden und Widerstände führten dazu, dass das Unternehmen den Bau auf einen bestehenden Standort verlagerte.
FDP skeptisch, SPD dafür
Die Reform stößt auf unterschiedliche Reaktionen. Finanzminister Christian Lindner steht der Idee skeptisch gegenüber, da sie zusätzliche Kosten verursachen könnte, die seine FDP traditionell kritisch sieht. „Die FDP hält nichts von staatlichen Beteiligungen an Unternehmen, auch nicht im Bereich der Rüstungsindustrie“, sagte der verteidigungspolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Alexander Müller, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland daran anschließend. Auch bei den Grünen gibt es Bedenken, vor allem hinsichtlich der Öffnung staatlicher Forschungsprogramme für militärische Zwecke, die bisher durch Zivilklauseln eingeschränkt waren.
Breite Unterstützung gibt es dagegen aus der SPD. Bernd Westphal, wirtschaftspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, betonte gegenüber dem Nachrichtenmagazin Spiegel die Notwendigkeit, angesichts der veränderten Bedrohungslage mehr in die Sicherheits- und Verteidigungsindustrie zu investieren. Die SPD hatte bereits Anfang Juli ein Zehn-Punkte-Papier zur Stärkung der wehrtechnischen Industrie verabschiedet, das einige der jetzt geplanten Maßnahmen enthält.
AfD: „Brauchen kluge Diplomatie“
Auch von der AfD kommt Kritik an dem Vorhaben. Gegenüber FREILICH erklärte der wirtschaftspolitischen Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion, Leif-Erik Holm: „Der Staat soll nicht Rüstungskonzern spielen, sondern sich endlich um eine mäßigende, ausgleichende Außenpolitik kümmern“. Man brauche kluge Diplomatie, um die schrecklichen Kriege in der Ukraine und im Gaza-Streifen zu beenden. Für die dringend nötige Wiederausrüstung der Bundeswehr als Verteidigungsarmee gebe es genug innovative Unternehmen am Markt, dafür brauch es den Staat nicht. „Aber die Ampel und allen voran der grüne Wirtschaftsminister Habeck hängen dem Irrglauben an, der Staat sei der bessere Unternehmer“. Holm bezeichnet das als „Quatsch“, der die Steuerzahler am Ende Milliarden koste. „Aufgabe des Staates ist es, gute und verlässliche Rahmenbedingungen für heimische Unternehmen zu schaffen. Im Fall unserer Rüstungsindustrie passiert aber genau das Gegenteil.“
Die wechselhafte bis kopflose Verteidigungspolitik der Bundesregierung führe zu einer immer geringeren Planungssicherheit der Unternehmen, kritisiert Holm. „Wichtig wären klare, langfristige Verträge für die Ausrüstung der Truppe. Zudem müssen Beschaffungsprozesse dringend entbürokratisiert werden, um die heimische Rüstungsindustrie nicht weiter zu benachteiligen“. Vor allem aber sei es längt überfällig, „in Zeiten von Sondervermögen und erhöhtem Verteidigungsetat deutsche Rüstungsunternehmen bei der Vergabe von Aufträgen gegenüber ausländischen Herstellern zu priorisieren – zum Beispiel, indem bei jeweiligen Angeboten auch berücksichtigt wird, dass Aufträge an deutsche Unternehmen den Bundeshaushalt durch zukünftige Steuereinahmen entlasten und dem Erhalt deutscher Arbeitsplätze dienen“. Die deutsche Rüstungsindustrie sei leistungsstark und könne auch ohne staatliche Beteiligung erfolgreich sein. „Sie braucht einfach nur verlässliche Bedingungen“, erklärt Holm abschließend.