Keine blau-schwarze Koalition: Verhandlungen zwischen FPÖ und ÖVP gescheitert
Bereits am Dienstag hatten sich die Parteichefs von FPÖ und ÖVP zu Gesprächen mit dem Bundespräsidenten getroffen, am Mittwoch folgten weitere Gespräche. Nun gibt es Klarheit: Man ist sich nicht einige geworden.
Wien. – Vor rund einem Monat hatten FPÖ und ÖVP offiziell Verhandlungen aufgenommen, nachdem die Gespräche zwischen der ÖVP unter Ex-Bundeskanzler Karl Nehammer, der SPÖ und den NEOS gescheitert waren. Am Mittwoch platzten die Gespräche. Um kurz vor 15 Uhr gab FPÖ-Chef Herbert Kickl in einer Pressemitteilung bekannt, dass die Koalitionsverhandlungen mit der ÖVP gescheitert sind und er als Konsequenz daraus den erhaltenen Regierungsbildungsauftrag zurücklegt.
FPÖ hatte neuen Vorschlag unterbreitet
Am Dienstagabend hatten sich Kickl und Stocker noch getrennt mit Bundespräsident Alexander Van der Bellen getroffen, nachdem in den Verhandlungen immer noch keine Einigung in Sicht war. Am Abend hieß es dann, die Verhandlungen würden fortgesetzt. Strittig war unter anderem noch immer die Ressortverteilung. Am Mittwochvormittag präsentierten die Freiheitlichen der ÖVP schließlich einen neuen Vorschlag zur Ressortverteilung (FREILICH berichtete). Dabei beharrte die FPÖ weiter auf den Schlüsselressorts Inneres und Finanzen. Neu gegenüber den bisherigen Vorschlägen wäre für die FPÖ ein Arbeitsministerium gewesen, das auch die Integration umfassen sollte. Dazu wäre ein Ressort für Gesundheit, Sport und Tourismus gekommen.
Nach dem Vorschlag der FPÖ hätte die ÖVP somit sieben Ministerien – also eines mehr als die FPÖ – erhalten: Außenpolitik samt EU, Verkehr und Infrastruktur, Wirtschaft, Forschung und Energie, Landesverteidigung und öffentlicher Dienst, Landwirtschaft und Umwelt. Hinzu gekommen wäre, dass die ÖVP auch den Sozialbereich mit Frauen, Familie und Jugend erhalten hätte. Dazu dann noch Bildung, Wissenschaft, Kunst und Kultur. Die ÖVP sollte darüber hinaus das Vorschlagsrecht für das als parteiunabhängig vorgesehene Justizressort erhalten.
Angesichts des Angebots sei es es wohl „naheliegend, dass die FPÖ im Gegenzug ihre im Innenministerium angesiedelten Kernkompetenzen – Sicherheit und Asyl – für sich beansprucht“, hatte FPÖ-Generalsekretär Michael Schnedlitz erklärt. FPÖ-Chef Herbert Kickl hatte das Angebot am Mittwoch in einem Facebook-Beitrag bestätigt: „Das ist kein Machtrausch, das ist mehr als fair, außer die ÖVP will eine Alleinregierung“, so der Parteichef.
ÖVP reagierte mit Gegenvorschlag
Auf die Vorschläge der Freiheitlichen hatte die ÖVP allerdings mit einem Gegenvorschlag reagiert. Kurz vor Ablauf einer von der FPÖ bis 11 Uhr gesetzten Frist antwortete die ÖVP laut ORF am Mittwochvormittag mit einer Aussendung. Demnach hätte es zwei Varianten für ein Entgegenkommen gegeben. Entweder hätte die FPÖ ein eigenes Asyl- und Migrationsministerium bekommen – dazu wären diese Bereiche aus dem Innenministerium ausgegliedert worden –, das Innenressort samt Geheimdienst und auch das Finanzministerium wären in diesem Fall aber bei der ÖVP geblieben. Oder, falls Kickl darauf bestanden hätte, das Finanzministerium zu behalten, wäre ein FPÖ-Staatssekretär für Asyl und Migration im ÖVP-geführten Innenministerium denkbar gewesen.
Die FPÖ war damit allerdings nicht einverstanden. „Ein Verbleib des Finanzministeriums bei der ÖVP würde bedeuten, dass die für die finanzielle Schieflage verantwortliche Partei dort weiterarbeiten kann“, hieß es dazu in einer Aussendung der FPÖ. Dieses „Weiter wie bisher“ habe auch die ÖVP in den drei Monaten seit der Nationalratswahl stets strikt ausgeschlossen. „Dass die FPÖ daher das Finanzministerium übernimmt und in enger Abstimmung mit dem Bundeskanzler die notwendige Budgetsanierung vorantreibt, ist das Gebot der Stunde“, hieß es dazu weiter.
Zum Vorschlag eines eigenen Asyl- und Migrationsministeriums führte die FPÖ aus, dass dieses erstens mit einer Vielzahl von Problemen behaftet gewesen wäre. Darauf habe auch der Bundespräsident hingewiesen. „Zweitens ist diese Teilung aus Sicht aller mit der Materie in Theorie und Praxis befassten Personen und Experten operativ zum Scheitern verurteilt“, hieß es dazu in der Aussendung. Und schließlich wäre ein FPÖ-Staatssekretär in einem ÖVP-Ministerium ein Widerspruch zu bereits getroffenen Vereinbarungen gewesen, wonach im Sinne einer effizienten Regierungsarbeit und einer Bündelung der Ressourcen in der kommenden Regierung keine Staatssekretäre der jeweils anderen Partei in einem Ministerium eingesetzt hätte werden sollen.
Kickl: ÖVP wollte zuerst Ressortfrage klären
Zuletzt waren die Verhandlungen zwischen den beiden Parteien immer mehr ins Stocken geraten. Grund dafür war neben einigen inhaltlichen Punkten vor allem die Ressortverteilung. Während derzeit viele Akteure die FPÖ kritisieren und ihr Machtgier vorwerfen, äußerte sich FPÖ-Chef Kickl am Mittwoch in einer Videobotschaft zur Frage, warum überhaupt so früh über die Ressortverteilung verhandelt wurde: „Die Antwort ist ganz einfach: Weil die ÖVP das ausdrücklich so wollte“, erklärt Kickl. „Wir wollten eigentlich zuerst die strittigen inhaltlichen Punkte zu tragfähigen Kompromissen bringen. Das war unsere Zugangsweise.“ Doch die ÖVP habe Anfang Februar Nein gesagt und darauf verwiesen, dass zuerst die Ressortfrage geklärt werden müsse. Solange das nicht geschehen sei, brauche man mit ihnen nicht über diverse Inhalte zu verhandeln. Das sei die Wahrheit, wer etwas anderes behaupte, versuche die österreichische Bevölkerung hinters Licht zu führen, so Kickl abschließend.
Das ist der wahre Grund, warum wir seit Anfang Februar über Ministerien verhandeln...