„Letzte Generation“: Zeigt der Rechtsstaat seine Zähne? Von wegen!
Die Razzien gegen die „Letzte Generation“ lassen viele Bürger aufhorchen. Setzt die Ampel-Regierung jetzt geltendes Recht auch gegen Linke durch? FREILICH-Redakteur Mike Gutsing bezweifelt das und warnt davor, der Regierung Scholz zu vertrauen.
Haben Sie eine der drei Regierungsparteien in der Bundesrepublik gewählt? Ich nicht, und das hat einen klaren Grund: Weder SPD, Grüne noch FDP oder auch nur einer ihrer Vertreter haben in den vergangenen Jahren in meinem Interesse gehandelt. Im Gegenteil, sie haben regelmäßig das genaue Gegenteil meiner Werte und Vorstellungen vertreten und beweisen mir seit ihrer Regierungsübernahme täglich die Richtigkeit meiner Entscheidung. Nun haben Regierungsparteien einen entscheidenden Vorteil gegenüber der Opposition: Sie können entscheiden. Die Regierung könnte also auch dem Wunsch oder Willen bestimmter Wählergruppen nachkommen, vielleicht auch solchen, die sie im Wahlkampf aus strategischen Gründen nicht berücksichtigt hat.
So könnte die Regierung Scholz zum Beispiel daran arbeiten, die für die Mehrheit der Deutschen so lästigen GEZ-Gebühren abzuschaffen oder drastisch zu senken, vielleicht sogar die öffentlich-rechtlichen Medien zu reformieren. Damit ließe sich vielleicht sogar eine Personalaffäre wie die um Staatssekretär Graichen vor den Augen der Wähler kaschieren. Dieses Ausbalancieren gegensätzlicher Interessengruppen gehört zu den ältesten Manövern der Politik und hat nichts von seiner Wirksamkeit verloren.
Die Substanz ist verloren
Sind die Razzien gegen die extremistische, angebliche Klimaschutzgruppe „Letzte Generation“ (LG) Teil einer solchen Gratwanderung? Ist es ein Zugeständnis an konservative oder gar rechte Kreise, die schon lange eine Beobachtung linksextremer Aktivisten fordern? Kehrt mit der Regierung Scholz endlich der gesunde Menschenverstand der bürgerlichen Mitte an die Schalthebel der Macht zurück und weist die neunmalklugen Grünen in ihre Schranken? Ich muss den geneigten Leser enttäuschen, nichts davon geschieht oder kann geschehen, weil man bei SPD und FDP von ideellen Grundlagen ausgehen müsste, die schlicht nicht (mehr?) vorhanden sind.
Wollte man dem Treiben der polemisch als „Klimakleber“ bezeichneten Gruppierung Einhalt gebieten, würde man mit der linken „Klimabewegung“ so verfahren, wie man es mit den konservativ-rechten Migrationskritikern tut: Etikettierung, Diffamierung, Kriminalisierung sind die Mittel, mit denen man den Vereinen, herausragenden Personen, Geldgebern und Unterstützern der „letzten Generation“ zu Leibe rückt. Die öffentlich-rechtlichen Medienanstalten würden Sondersendungen über dubiose Verbindungen ins kriminelle Milieu „aufdecken“, private „Recherchegruppen“ lokale Gruppierungen beschatten, Privatadressen und schockierende Fakten über einzelne Mitglieder ungeprüft ins Internet stellen.
Samthandschuhe für Linksextreme
Wie also ist der staatliche Schlag auf die Finger der „Letzten Generation“ zu bewerten? Wem nützt er, welche Perspektive lässt sich auf das Geschehene einnehmen? Für den Teil, der sich als patriotische Opposition zum herrschenden Chaos versteht, ist der bequeme Platz des unvoreingenommenen Beobachters reserviert. Wer das Geschehen um die Identitäre Bewegung, das Institut für Staatspolitik (IfS) oder die Junge Alternative (JA) verfolgt hat, den wird das Treiben der Justiz weder erschrecken noch verwundern. Gleichzeitig gilt es, wachsam zu bleiben: Gerade Innenministerin Faeser ist in der Vergangenheit nicht durch Neutralität in Fragen der politischen Bewertung von „Staatsfeinden“ aufgefallen.
Auch der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang, bestritt in der Vergangenheit die Notwendigkeit einer Beobachtung der „Letzten Generation“ durch seine Behörde. Ebenso könnten die Grünen von einer Bestrafung der linksextremen Aktivisten profitieren. Das geplante Wärmegesetz von Wirtschaftsminister Robert Habeck wirkt im Vergleich zu den Forderungen der LG fast wie ein kommunaler Verwaltungsakt und könnte einen weiteren argumentativen Rahmen für grüne Politik in der Gesellschaft bieten.
Habeck kann profitieren
Soll sich der Rest der Gesellschaft dieses Spektakel als „Schlag gegen den Extremismus“ auftischen lassen und sich Regierung und Staat als „ehrliche Makler“ phantasieren. Nur weil der politische Gegner einen Schlag abbekommt, hat man noch lange nicht selbst einen guten Schlag abbekommen, und nicht für jeden Tag lohnt sich ein Feuerwerk.
Der Einsatz staatlicher Behörden ist zu begrüßen, mehr aber auch nicht. Weder Innenministerin Faeser noch BfV-Präsident Haldenwang haben in der Vergangenheit etwas getan, um Vertrauen in eine „ehrliche“ Aufarbeitung der „letzten Generation“ zu gewinnen. Nach den unzähligen Fehltritten allein in den letzten zwölf Monaten zeigt sich, dass die Regierung Scholz vor allem eines zu erwarten hat: Misstrauen in die Kernkompetenz des Regierens und in die Fähigkeit, den Wählerwillen zu erfassen.
Zur Person:
Mike Gutsing, Jahrgang 1999, hat Geschichte studiert und lebt in Mitteldeutschland. Das besondere Interesse des Korporierten gilt der deutschen Geschichte und Kultur.