Maximilian Krah: „Rechts will keiner sein, daher haben wir die Deutungshoheit“
Maximilian Krah hat am 9. Juli 2023 auf dem Sommerfest des IfS sein neues Buch vorgestellt. FREILICH hat mit dem EU-Politiker darüber gesprochen, was er unter „rechts“ versteht und wie er über Identität und Volk, Recht und Wirtschaft, Mensch und Technik denkt.
FREILICH: Sie haben heute Ihr neues Buch Politik von rechts vorgestellt. Während liberale und marxistische Theoretiker Tausende und Abertausende Werke produziert haben, sieht es ja bei konservativer, geschweige denn rechter Theoriebildung eher mau aus. Stimmt denn der linke Vorwurf, dass Rechte tendenziell denkfaul und ungebildet seien?
Maximilian Krah: Der Vorwurf stimmt natürlich nicht, aber ich denke, dass die Rechten einen großen Vorteil gegenüber den Linken haben, weil man das Rechte intuitiv erfassen kann. Ich sage, der Grundimpetus des Rechten ist die Übereinstimmung, mit dem, was ist, nämlich: Identität. Wir sind, was wir sind, Kinder unserer Eltern, Mann und Frau, Deutsche. Und die Übereinstimmung mit dieser Realität und das, was daraus folgt, das ist schon rechts.
Stattdessen begründen die Linken ihr Weltbild auf einen Bruch mit dem, was da ist, mit der Realität. Wenn ich aber eine Politik machen will gegen die Realität, das Gegebene, gegen die Natur, die Tradition, gegen das Überkommene, dann muss ich da sehr viel Theorie anbieten. Während ein Rechter das, was er ist, aus seinem Leben, aus seinem Erbe, letztlich aus seinem Erbgut begründen kann. Nun ist die linke Politik aber inzwischen so dominant geworden, dass wir nicht einmal mehr wissen sollen, wie viele Geschlechter es gibt. Deshalb müssen die Rechten jetzt das, was eigentlich intuitiv klar ist, auch intellektualisieren, damit sie nicht komplett untergehen.
Sie lehnen „konservativ“ und „liberalkonservativ“ als Eigenbezeichnungen explizit ab. Was ist denn an rechts besser?
Jeder, der gefühlt rechts ist, hat ja in seinem Leben gefühlt 2.000 Einladungen zu Podiusmdiskussionen mit der Frage bekommen: „Was ist konservativ?“ Und alle diese Diskussionen sind immer sehr lang, sehr bildungsintensiv und ergebnislos. Machen wir uns klar, auch ein Armin Laschet kann auf irgendeine Art und Weise von sich behaupten, konservativ zu sein. Wenn wir den Begriff des Konservatismus für uns gewinnen wollen, werden wir endlos diskutieren, werden trotzdem nicht gewinnen, weil dann am Ende ein Laschet um die Ecke kommt und sagt: „Ich bin aber auch konservativ!“ Ich halte den Begriff in allen Ehren, halte ihn aber auch für völlig sinnlos, weil er nicht definiert werden kann.
Was den Liberalismus angeht, müssen wir klarmachen, dass Konservatismus und Liberalismus historisch immer Gegensätze waren. Wir sollten auch einsehen, dass die ganze kulturelle Zerstörung durch die Postmoderne nicht eigentlich marxistisch ist. Daran ändern auch irgendwelche Konservative nichts, die das als Kulturmarxismus oder, weiß der Kuckuck was, bezeichnen. Es ist letztlich ein Liberalismus auf Speed. Wenn wir uns also einen Liberalkonservatismus umhängen, wie grenzen wir uns denn dann vom Liberalismus eines Michel Foucault und einer Judith Butler ab? Begriffe dienen dazu, Klarheit zu schaffen und insofern hat „rechts“ einen großen Vorteil: Das will nämlich keiner sein und daher gehört er uns. Und somit liegt es an uns, wie wir ihn füllen. Füllen wir ihn doch positiv – dann wird es auch ein positiver Begriff.
Martin Sellner definiert in seinem neuen Werk Regime change von rechts die Bewahrung der ethnokulturellen Identität als das Hauptziel des patriotischen Lagers. Der deutsche Inlandsgeheimdienst erkennt in einer solchen Zielsetzung jedoch bereits eine rechtsextreme Gesinnung. Welche Haltung sollte denn ein Rechter zum Thema Identität einnehmen?
Ich gehe ja noch weiter als Martin Sellner. Ich sehe in der Identität die Übereinstimmung mit dem, was wir sind. Wir sind Teil eines Volkes, wir sind Teil einer Familie, wir sind Europäer, wir sind Menschen, wir haben ein Geschlecht. Die Reduktion des Rechten auf eine Zugehörigkeit zu einem Volk finde ich als Definition etwas zu eng. Sellner hat aber einige gute Punkte, wenn er zwischen den Altrechten und den Neurechten unterscheidet. Er sagt, das einzige Thema der Altrechten sei die Reinwaschung des Nationalsozialismus. Ein Altrechter wolle historische Debatten gewinnen, die zu nichts führen. Da bin ich völlig bei ihm.
Demgegenüber möchte ein Neurechter die ethnokulturelle Identität verteidigen. Das ist insofern richtig, als dass diese ja zurzeit am gefährdetsten ist. Wir sollen nichts anderes sein als Individuen. Mittlerweile fordert der herrschende Linksliberalismus ja sogar die Abschaffung der Geschlechter, da die Identität letztlich nur auf gesellschaftlichen Umständen, auf der Struktur der Sprache beruhe. Insofern glaube ich, dass ein rechter Ansatz weiter gehen und die Identität als Ganzes erfassen muss: Nicht nur die Identität als Angehöriger eines Volkes, sondern auch die Identität als Mann und Frau, ich als Kind meiner Eltern, überhaupt als eine eigenständige Persönlichkeit, die aus sich heraus ihre Umgebung nach ihrer Veranlagung formt und nicht von ihrer Umgebung durch Sprache, durch Gender und durch äußere Strukturen geformt wird.
Als promovierter Jurist räumen Sie Fragen des Verfassungs- und des Völkerrechts mit zwei Kapiteln einen großen Raum ein. Sie bemerken, dass EU und UN immer mehr nationale Kompetenzen an sich ziehen. Über Einwanderung schreiben Sie: „Die Verfassungsorgane der Nationalstaaten spielen hier keine Rolle mehr, eine wirksame Verhinderung der Masseneinwanderung ist durch nationale Wahlen nicht mehr möglich.“ Welche Antwort sollte ein rechtes Recht auf diese Fakten geben?
Wir müssen das Recht in Kernbereichen renationalisieren. Den linksliberalen Globalisten ist es gelungen, die entscheidenden Fragen auf die übernationale Ebene zu verschieben. Mit dem Ergebnis, dass selbst eine rechte Regierung, sofern sie Teil dieser Struktur ist, keine Chance hat, sich den großen Linien der Linksliberalen zu entziehen. Das ist am Klarsten in der Frage des Klimaschutzes, der zur völligen Deindustrialisierung Deutschlands führen wird. Das basiert alles auf dem Pariser Klimaschutzabkommen. Solange dieses Abkommen in Kraft ist und in der Europäischen Union durch den Green Deal umgesetzt wird, könnte auch eine rechte Regierung sich dem nicht entziehen. Sie müsste entweder – wie es Donald Trump gemacht hat – aus dem Pariser Klimaabkommen aussteigen, in der EU die Macht übernehmen oder diese abschaffen.
Dasselbe gilt für die Einwanderung, diese erfolgt derzeit im Wesentlichen auf Grundlage der Genfer Flüchtlingskonvention sowie auf Grundlage der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Letzterer ist ein Organ des Europarats und nicht der EU. Solange wir also Mitglied des Europarates und Unterzeichner der Genfer Flüchtlingskonvention sind, haben wir auch diese Rechtsprechung zu akzeptieren. Man schaue sich auch bei Artikel 16a des Grundgesetzes nicht immer den Absatz 2 an, der das Asylrecht einschränkt und Konservativen immer so gut gefällt. Sondern man schaue sich Absatz 5 an, in dem steht, dass der gesamte Grundgesetzartikel nicht gilt, wenn er in Widerspruch zu europarechtlichen und internationalen Regelungen steht, die gehen nämlich immer vor. Auf diesen Vorrang internationaler Regelungen müssen wir mit einer Renationalisierung zentraler Fragen der Politik antworten.
Was bedeutet das konkret?
Die Genfer Flüchtlingskonvention brauchen wir nicht abschaffen, aber in der jetzigen Form ist sie tödlich. Entweder gibt es eine Mehrheit der Mitgliedsstaaten, die bereit ist, Änderungen vorzunehmen oder wir müssen austreten. Bei der Europäischen Menschenrechtskonvention des Europarates erkenne ich zudem nicht, was der Sinn sein soll, da wir bereits einen Grundrechtekatalog auf EU-Ebene, auf Bundesebene- und auf Landesebene haben. Wir haben also zurzeit vier verschiedene Grundrechtekataloge, mit jeweils vier verschiedenen Gerichten, die diese auslegen! Das ist lächerlich, das ist zu viel, das behindert uns. Da kann man tatsächlich mal über eine Auflösung nachdenken.
Gleichzeitig bin ich mir aber der Notwendigkeit bewusst, dass wir auf einer europäischen Ebene in einer multipolaren Welt Strukturen brauchen, aber sicher nicht die derzeitige EU. Da plädiere ich für einen Reset im Sinne: Einmal Stecker ziehen und Stecker wieder reinstecken. Ich glaube nicht, dass der neue Europäische Bund – oder wie auch immer man das dann nennt – einen Grundrechtekatalog mit einem Gerichtshof braucht, der über Einzelfälle entscheidet. Den Grundrechtsschutz sollte man renationalisieren, da gehört er nämlich hin.
Masseneinwanderung und Energiewende stellen die deutsche Wirtschaft vor große Herausforderungen. Sie weisen in Ihrem Buch darauf hin, dass der durchschnittliche IQ von ethnischen Deutschen bei etwa 104, bei Afghanen bei etwa 80 liege. Hieraus folgt, dass eine Integration vieler Migranten in eine hochkomplexe Industriegesellschaft große Probleme erzeugt. Hinzu kommt die Abschaltung von Kohle- und Atomkraftwerken sowie der Wegfall von russischem Gas im Zuge des Ukrainekrieges. Welche Antworten hat eine rechte Wirtschaftspolitik auf diese Herausforderungen?
Da müssen wir die Lebenslügen der Linksliberalen widerlegen: Erstens: Klimapolitik führt zu Deindustrialisierung und Verarmung, Punkt. Zudem braucht eine Industrienation wie die deutsche preiswerte Energie. Die ist mit der Energiewende nicht zu machen. Wir haben einen Klimawandel, aber ihm begegnen wir, indem wir neue Technologien entwickeln und uns darauf einstellen, nicht, indem wir verarmen.
Zweitens: Einwanderung führt nicht zu einer Lösung des Fachkräftemangels. Den lösen wir sicherlich nicht, wenn wir Leute einwandern lassen, die absehbar nicht die Voraussetzungen erfüllen, diese fehlenden deutschen Fachkräfte zu ersetzen. Das ist eine riesige Lüge, weil wir eben keine Westeuropäer oder auch keine Polen einwandern lassen, sondern es kommen eben Afghanen und Afrikaner. Daher Einwanderungsstopp und Grenzen zu. Das begreift die deutsche Wirtschaft bis heute noch nicht, deshalb sollte man ihnen das laut sagen.
Und Drittens: Unsere Außenpolitik sollte langsam auch mal wieder mit unseren nationalen Interessen übereinstimmen. Es gibt keinen Grund, uns zusammen mit den Amerikanern gegen unseren wichtigsten Energielieferanten, Russland, in Stellung bringen zu lassen. Genauso wenig sollten wir uns, das kommt ja als nächstes, in einen Handelskrieg mit unserem wichtigsten Handelspartner, China, treiben lassen. Damit steht doch die Grundlinie: Russische Energie und Ausbau des Handels mit unseren wichtigsten Partnern. Zusätzlich Ausbildung unserer jungen Menschen nicht zu brotlosen Genderwissenschaftlern, sondern zu produktiven Technikern, um den Fachkräftemangel zumindest etwas zu minimieren. Langfristig müssen wir über eine aktive Bevölkerungspolitik wieder mehr junge Leute haben. Letztlich ist die wichtigste Ressource Wissen. Die Deutschen müssen wieder dafür bekannt werden, dass sie Patente, nicht Lastenräder entwickeln. Dazu muss man unser Land von den linksgrünen Denkverboten befreien.
Yuval Harari prognostiziert in Homo Deus eine Verschmelzung des Menschen mit Künstlicher Intelligenz. Widerspricht diese Prognose einer rechten Auffassung von der Natur des Menschen?
Ja. Wir glauben daran, dass der Mensch durch das definiert ist, was er im Laufe der Evolution geworden ist. Und dass der Mensch jetzt Gott spielt und Menschen designt, indem er Designerbabies schafft, indem er das Erbgut manipuliert, das ist letztlich eine Dystopie. Wo die hinführt kann man nachlesen bei Aldous Huxleys Brave new world. Wir wollen aber einen Menschen haben, der sich weiter durch natürliche Mutation, durch natürliche Prozesse fortpflanzt. Und von daher erleben wir mittlerweile gerade durch den Transhumanismus einen Angriff auf die Grundlage der Menschlichkeit, nämlich dass jeder Mensch durch den Zeugungsakt ein einzigartiges Erbgut erhält, in dem sich alle seine Vorfahren befinden. Es ist beispielsweise unwahrscheinlich, dass das Kind von zwei großen Sportlern wirklich unsportlich sein wird.
Aber dieser Prozess schafft immer wieder ein Moment, wo der Zufall schöpferisch tätig wird. Und wenn die Menschen anfangen, da hineinzupfuschen, dann haben wir in Zukunft den designten Einheitsmenschen, der wie bei Huxley nach verschiedenen Klassen sehr klar definiert sein wird. Wir zerstören dadurch die Einzigartigkeit des Menschen und schaffen austauschbare Individuen, austauschbare Kulturen, in der jede regionale, familiäre, nationale Eigenheit verschwindet. Das ist eine furchtbare Welt. So wie es inzwischen nicht mehr Tausende Apfelsorten gibt, gibt es halt nur noch einige wenige und das wird mit dem Menschen auch passieren. Wir müssen als Liebhaber der Menschen – und das sind die Rechten – dagegenhalten und einstehen für Vielfalt und Natürlichkeit.
Sie haben eben die Möglichkeit einer linken, transhumanistischen Dystopie umrissen. Nun befinden sich die führenden Gentechnologie-Unternehmen wie 23andMe und Ancestry sowie die führenden KI-Unternehmen wie ChatGPT und Midjourney in den USA – ein Land, das Sie als Zentrum des Wokeismus betrachten. Wäre vor diesem Hintergrund nicht eine Antwort deutscher Rechter im Sinne etwa eines Silicon Saxony nötig?
Zunächst einmal müssen wir die enorme Konzentration fast der gesamten Forschungskapazität in einem winzigen geografischen Bereich, nämlich dem Silicon Valley, dem Großraum von San Francisco, den müssen wir brechen. Von daher ist es wichtig, dass wir eigene soziale Netzwerke haben. Es kann nicht sein, dass die politische Kommunikation in Deutschland über Twitter läuft, denn Twitter ist ein US-amerikanisches Unternehmen mit Gerichtsstand in Irland. Dasselbe gilt auch für Datenclouds, es kann nicht sein, dass unsere gesamten Daten in den USA liegen und wir in dieser Hinsicht völlig schutzlos sind. Von daher ist eine Regionalisierung angesagt, denn für sowas sind die einzelnen Staaten Europas zu klein.
Was die Chinesen aber mit ihrer großen Firewall machen, weist erstmal den Weg. Über die sozialen Netzwerke und Datenclouds wird Europa, in Deutschland Macht ausgeübt. Diese Macht geht aber nicht von inländischen Kräften, geht nicht vom Volk aus. Sie geht von ausländischen US-Oligarchen aus, was schlecht ist. Das zweite ist: Solange man die Zukunftsforschung weiter im Silicon Valley konzentriert, wird der Geist des Silicon Valley auch die Welt beeinflussen. Wir brauchen auch hier Konkurrenz. In der Zukunft heißt Souveränität, Alternativen zu haben. Wir müssen wählen können, wir müssen diejenigen, die jetzt das Sagen haben, auch austauschen können, ohne dafür wie Nordkorea mit völliger Verarmung bezahlen zu müssen. Wir brauchen auf der Welt verschiedene Zentren, die müssen nicht zwingend alle bei uns sein. Es kann ja sein, dass wir eins bei uns, eins in den USA und eins in Asien auf Grundlage eines gegenseitigen Austauschs haben. Die einseitige Konzentration auf Kalifornien birgt das Risiko einer furchtbaren Machtkonzentration, unter der wir jetzt schon leiden.
Herr Krah, vielen Dank für das Gespräch!
Zur Person:
Maximilian Krah ist promovierter Jurist und AfD-Abgeordneter im Europäischen Parlament. Der gebürtige Sachse ist seit 2022 Mitglied im Bundesvorstand der AfD und kandidierte im selben Jahr zum Oberbürgermeister von Dresden.
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