Salzburg-Wahl: Die Ränder gewinnen, die Mitte verliert
Vor rund einer Woche hat Salzburg einen neuen Landtag gewählt. Dabei schnitten nicht nur die Freiheitlichen gut ab, sondern auch die Kommunisten. In seinem Kommentar erklärt Gert Bachmann, warum diese Sichtweise zahlreiche Paradoxien und taktische Winkelzüge birgt.
Die Landtagswahl in Salzburg ist geschlagen. Und die vielbeschworene Mitte ist zu den Rändern hin ausgeronnen. Einem gewölbten Kartonage-Bogen gleich, welcher mit Wasser übergossen wird. Ein ähnliches Ergebnis zeitigten die letzten Präsidentschafts- und Parlamentswahlen in der Grande Nation. Der linksradikale Jean-Luc Melenchon verpasste im ersten Durchgang knapp den Einzug in die Stichwahl. Er musste Marine Le Pen um zwei Prozentpunkte den Vortritt lassen. Welche wiederum dreieinhalb Prozentpunkte hinter dem amtierenden Zentristen Emmanuel Macron zum Liegen gekommen ist. Die dereinst staatstragenden Parteien Gaullisten und Parti Socialiste spielen keine nennenswerte Rolle mehr. Ein ähnliches Bild zeigten die Parlamentswahlen, wo die Linke knapp hinter den Zentristen lagen und der Rassemblement Nationale ein Rekordergebnis erzielte.
Die Ränder werden stärker
Legt man diese Zuordnungen der Linken, der Rechten und der Zentristen auf Salzburg um, kommt man zu folgender Schlussfolgerung: Der rechte „Rand“ gewann sieben Prozentpunkte, die radikale Linke über elf Prozent. Die sogenannte Mitte aus ÖVP, SPÖ, Grünen und NEOS musste Verluste von 14 Prozent hinnehmen. An Mandaten zählt die „Mitte“ nur mehr 22 Sitze statt 29 Sitzen. Die „Ränder“ haben sich von sieben auf 14 Mandate verdoppelt.
Diese Sichtweise birgt zahlreiche Paradoxien und taktische Winkelzüge. Denn schließlich ist nach der Wahl vor der Wahl. Und wer die Deutungshoheit über die Resultate gewinnt, gewinnt die Deutung über die Schreckgespenster von morgen.
Daher wurde Svazeks Vorliebe für Le Pen genussvoll wiederholt, um das zeitgleiche Versinken der Grande Nation im Streikchaos vor Augen zu führen. Das Schreckgespenst Unregierbarkeit birgt das Schlagwort „Das Chaos oder Ich“ inne.
Die Errichtung eines Cordon sanitaire gegen die FPÖ mit Hilfe von SPÖ und Grünen fällt argumentativ leichter, wenn man sich leihweise des verunglückten Bonmots des Springer-Chefs Mathias Döpfner über die Ostdeutschen bedient: entweder Faschisten oder Kommunisten. Darunter machen sie es nicht.
Boboismus mit Sackbauer-Attitüde
Dieses Narrativ tut den Freiheitlichen Unrecht und mit Abstrichen der KPÖ. Wobei „Unrecht“ ebenso wenig eine politische Kategorie ist wie Dankbarkeit. Immerhin ist die FPÖ mit Vorläufer VdU seit 1949 im Nationalrat vertreten, in allen Landtagen, aktuell in drei Landesregierungen – wenn man die nicht amtsführenden Stadträte in Wien mitzählt – beteiligt an vier Bundesregierungen – wenn man Schüssel I und II gesondert zählt – vertreten durch tausende Gemeinderäte, zig Bürgermeister, zig Vizebürgermeister, Stadträte etc.
Die KPÖ ist seit 1959 nicht mehr im Nationalrat vertreten. War lediglich an einer Konzentrationsregierung gegenüber den vier Besatzungsmächten beteiligt und schickt sich nunmehr an, einen österreichischen „Linkspartei“-Ableger zu formen. Jedoch ohne die – zugegeben – rhetorische wie intellektuelle Verve von Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Sahra Wagenknecht. Eine gewisse Überschneidung ergibt sich im Hinblick auf Wagenknecht – welche sich wiederum anschickt, eine eigene Karriere zu starten.
Nämlich die Absenz von Grünen Bevormundungsphantasien und Edelproblemen. Zumindest bis die SPÖ-Vorsitzwahl gelaufen ist. Solange bekommen Andreas Babler und Kay-Michael Dankl 50 Meter Vorsprung im 100-Meter-Lauf. Erst dann werden sich die Redakteure wieder ihrer grünen Herkunft besinnen und die Präponenten der Nouveau chic radical intensiver „abklopfen“. Schließlich sind momentan die Grünen die Hauptleidtragenden dieses Boboismus mit Sackbauer-Attitüde.
Wobei auch von einem Nouveau chic ridicul gesprochen werden kann, da nicht einmal der Spitzenkandidat der KPÖ plus das Wort Kommunist ohne Süffisanz über die Lippen bringt. Schließlich ist das K in KPÖ eine eigene Marke. Kritische Fragen werden nicht Marx, Lenin und Mao beinhalten – die seit 1968 nicht mehr gelesen werden – sondern Putin, den Krieg und den Klimawandel.
Dies stellt dann den Lackmustest dar, den Kay-Michael Dankl im Unterschied zu Wagenknecht bestehen wird. So wird das Gleichgewicht zwischen Grünen und KPÖ wiederhergestellt werden. Wenn es von Nutzen sein wird. Aber zuerst muss noch die unfertige Brücke zwischen Kickl und Doskozil abgerissen werden, um das strategische Ungleichgewicht von Wahlmöglichkeiten zwischen ÖVP, SPÖ und FPÖ aufrechtzuerhalten. Hierzu dient das Spiel über die Bande mit Babler und Denkl – den Männern der Stunde.
Der lohnende langfristige Blick
Kritische Fehleranalyse wäre Fehl am Platz. Müsste man doch letztendlich die Verfehlungen der Coronamaßnahmen, gescheiterte Integration, Energiewende und Sanktionspolitik als Wurzeln des Übels benennen. Nicht ausreichend erklärt, den Bürger abholen, Angst vor der Zukunft nehmen etc. müssen neben den Schreckgespenstern und den Winkelzügen ausreichend Platz einnehmen. Nach dem Erreichen des Finale Trio Infernale besteht zudem ein ausreichender Puffer an Zeit. Europa- und Nationalratswahl liegen gemäß der gegenwärtigen politischen Aufmerksamkeitsspanne mit spätem Frühjahr 2024 Lichtjahre entfernt.
Dennoch lohnt sich ein langfristiger Blick auf den Pulsschlag des Wahlvolkes. Betrachtet man die Wahlergebniskurve, findet man stabile rote, schwarze und blaue Linien vor. Hie und da ein kleiner Ausreißer. Je näher sich die Linien dem Fall des Eisernen Vorhangs, der Jahrtausendwende und den ersten drei Jahrzehnten des neuen Jahrhunderts nähern beziehungsweise durchlaufen, bekommt man den Eindruck eines Lügners, dessen Nadeln am Detektortest in allen Farben und Schattierungen Amok laufen.
Stellt sich abschließend noch die Frage nach dem strategischen Impakt einer Linkspartei in Österreich. Gleich welcher Namensgebung. Kenia- sowie Ampelvarianten und andere exotische Flaggenmöglichkeiten würden hieraus resultieren. Gut für die Vexillologie. Schlecht für die Freiheitlichen, die Wahlmöglichkeiten des Gegners reduzieren müssen. Befindet sich das Dritte Lager also in einem „Österreich darf nicht Deutschland werden“-Paradoxon?
Zur Person:
Gert Bachmann, 42-jähriger Historiker mit Interesse an Geo- und Sicherheitspolitik. Trotz Studiums in Wien hat ihn die Heimatstadt Villach nie losgelassen. Das Herz des dreifachen Vaters und ehemaligen FPÖ-Landesparteisekretärs von Oberösterreich schlägt für ein freiheitliches Österreich und ein vitales, freies Europa der Vaterländer.