Wer ist Boris Pistorius?
Was für eine Person ist der ehemalige niedersächsische Innenminister Boris Pistorius eigentlich? Seine Zeit in Niedersachsen lässt einiges Ungutes erwarten.
Boris Pistorius (Jahrgang 1960) wird neuer Bundesverteidigungsminister und übernimmt damit ein Amt in einer der schwierigsten Situationen seit dem Zweiten Weltkrieg. Pistorius wuchs in Osnabrück auf, ist gelernter Kaufmann und schloss 1990 sein Studium der Rechtswissenschaften mit dem zweiten Staatsexamen ab. Seit 1991 arbeitete er in der niedersächsischen Politik als persönlicher Referent des damalige Innenministers Gerhard Glogowski (SPD) und als Dezernatsleiter der Bezirksregierung Weser Ems bis 2002.
Das heutige Mitglied des SPD-Parteivorstandes ist seit 1976 Parteimitglied der SPD und bezeichnete sich während des Bundestagswahlkampfes 2017 als „das Gesicht der sozialdemokratischen Innenpolitik“. Er gilt als Vertreter einer starken europäischen Integration von Sicherheitsbehörden und strebt eine europäische Polizeibehörde mit ähnlich starken Kompetenzen wie das US-amerikanische FBI an. Pistorius ist seit 2017 Mitglied im parlamentarischen Kontrollausschuss für die Sicherheitsbehörde Europol.
Ein echter Niedersachse
Bundesweite Aufmerksamkeit wurde Pistorius zuteil, als er 2017 zwei in Deutschland geborene islamistische Gefährder abschieben ließ, „um eine konkrete Gefahr abzuwenden“. Den bis dato nie angewandten Paragraphen 58a des Aufenthaltsgesetzes bezeichnete er als „das schärfste Schwert des Ausländerrechtes“. Gleichzeitig befürwortet der SPD-Politiker den Familiennachzug für Flüchtlinge und benannte wiederholt den Rechtsextremismus als „größte Gefahr der Demokratie“. Als Vorsitzender der Innenministerkonferenz wird Pistorius eine Führungsrolle bei der Antragstellung des 2013 gestarteten NPD-Verbotsverfahrens zugerechnet. Die Grundgesetzänderung, die als verfassungsfeindlich eingestufte Parteien von der staatlichen Finanzierung ausschloss, wird maßgeblich auf sein Wirken zurückgeführt.
Digitalpolitisch vertritt Pistorius eine befürwortende Haltung zur umstrittenen Vorratsdatenspeicherung und einer Klarnamenpflicht im Internet. Im Zuge des Streits um ein Verbot der linksextremen Plattform Indymedia kommentierte Pistorius 2021:
„Wenn jemand sagt, er sei antifaschistisch unterwegs, hat er meine volle Unterstützung und Solidarität. Wenn aber jemand unter diesem Deckmantel Straftaten begeht oder öffentliches Eigentum zerstört, dann ist das kein Kampf gegen den Faschismus, sondern ein Kampf gegen einen demokratischen Rechtsstaat. Und dagegen werden wir uns selbstverständlich mit allen rechtsstaatlichen Mitteln wehren.“
Hartes Auftreten, weiches Handeln
Pistorius Umgang mit der linken Szene in Niedersachsen ist dabei aber mehr Schein als Sein. So sprach er 2021 ein mögliches Verbot von Antifa-Gruppen im norddeutschen Bundesland an – ohne dann aber tätig zu werden. Die angesprochenen linksradikalen Akteure stehen seitdem trotzdem mit dem Sozialdemokraten auf Kriegsfuß.
Dass er diese Genauigkeit auf alle politischen Gruppierungen anwendet, ist stark zu bezweifeln. Auch seine Äußerungen zu den „rechtsextremen“ Tätern der Silvester-Ausschreitungen in Berlin sorgten für Irritationen. Auch seine Aussage, „die AfD versucht das Gleiche wie die NSDAP“ sorgten für starke Kritik und Vorwürfe über mangelnde politische Neutralität des Ministers. Ein Verbotsverfahren schloss der Osnabrücker ebenfalls nicht aus. Pistorius gilt als prominenter Vertreter der These, nach der sich die AfD ständig radikalisiere und einen Trend zum „Rechtsextremismus“ also der bewaffneten Verwirklichung ihrer Ziele fortsetze.
Klare politische Linie „gegen Rechts“
Als niedersächsischer Innenminister und somit Dienstchef des Landesamts für Verfassungsschutz konnte Pistorius seit Beginn seiner Amtszeit im Jahr 2013 nicht mit Erfolgen überzeugen. Niedersachsen gilt bei den Sicherheitsbehörden als ein Hotspot für Islamisten. Vor allem Südostniedersachsen um die Region Braunschweig-Wolfsburg stellt eine Hochburg islamistischer Akteure dar. Laut Verfassungsschutzberichten stagniert seit Jahren die Summe des „Islamismus-Potenzials“ – also der summierten islamistisch aktiven Personen – auf ungefähr 1.560. Gegen bekannte salafistische Internetprediger wie Abul Baraa aus Braunschweig oder anderen islamistischen Gefährdern – einige Personen aus Niedersachsen reisten ins Kampfgebiet des Islamischen Staates – ist Pistorius nicht Herr geworden.
Dasselbe Verdikt gilt auch für die linksradikale Szene in Niedersachsen. Vor allem im Raum Göttingen hat sich eine aktive und gewaltbereite Szene gebildet. Laut dem letzten Verfassungsschutzbericht aus dem Jahr 2021 gibt es bis zu 1.200 Linksextreme in Niedersachsen, wobei auch diese Zahl seit Jahren wächst. 800 davon werden als gewaltbereit eingestuft.
Auf dem linken Auge blind
Für den Innenminister selbst gilt jedoch eine andere Gefahr: Im Vorwort des Verfassungsschutzberichts 2021 warnte er vor Staatsfeinden wie Querdenkern, die das demokratische System ablehnen würden. Der Minister warnt dementsprechend vor der AfD und einer vermeintlich rechtsextremen Gefahr: „Diese Gemengelage eines scheinbar enthemmten Umgangs mit politisch Andersdenkenden versuchen insbesondere Vertreterinnen und Vertreter von Rechtsextremismus und Rechtspopulismus zur Verbreitung ihrer menschenverachtenden Ideologie für sich zu nutzen.“
Politisch ist Pistorius also ähnlich wie die Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) einzuschätzen: auf dem linken Auge blind, während man nach Rechts sämtliche Zähne und Krallen zeigt. Er gehört somit zu einer neuen Art von Sozialdemokraten, die gerne „Law and Order“-Politik betreiben, welche aber oftmals nur vermeintlich Konservative und Rechte betrifft.
Eng beim Machtzirkel
Innerparteilich ist Pistorius eher einem „konservativen“ Flügel zuzuordnen. Er gehört zum Machtzirkel der erfolgreichen norddeutschen Sozialdemokratie um Bundeskanzler Scholz, der die SPD zu einem Erfolg in der Bundestagswahl 2021 führte und davor als Bürgermeister in Hamburg regierte, und dem niedersächsischen Ministerpräsidenten Stephan Weil, welcher seit längerer Zeit mit großer Beliebtheit in Hannover die Geschäfte des Bundeslandes führt.
Die patriotische Opposition blickt bisher kritisch auf den neuen Bundesverteidigungsminister. So urteilte der FREILICH-Autor Tomasz M. Froelich auf Twitter folgendermaßen über Pistorius: „Wenn Boris Pistorius als Verteidigungsminister so eskaliert, wie gegen weite Teile der patriotischen Opposition in Deutschland, dann verheißt das für den Frieden in Europa nichts Gutes“. Andere Beobachter erwähnten anerkennend den Wehrdienst Pistorius in seinen jungen Jahren.