Wien wählt: Diese Koalitionen sind möglich
Die SPÖ wird in Wien wohl wieder stärkste Kraft – mit wem sie künftig regieren wird, entscheidet sich aber erst nach einem spannenden Koalitionspoker. Mehrere Optionen sind denkbar.
Bei der kommenden Wien-Wahl dürfte die SPÖ unter Michael Ludwig laut Umfragen den ersten Platz sicher haben.
© IMAGO / SEPA.MediaWien. – Die Landtags- und Gemeinderatswahl in Wien am 27. April 2025 rückt näher, und die politische Landschaft der Stadt steht vor einer spannenden Neuordnung. Die SPÖ wird voraussichtlich erneut die stärkste Kraft bleiben, doch ohne absolute Mehrheit wird sie auf Koalitionspartner angewiesen sein, um die notwendigen 51 Sitze im 100-köpfigen Gemeinderat zu sichern.
Die Ausgangslage: SPÖ als Dreh- und Angelpunkt
Aktuelle Umfragen deuten darauf hin, dass die SPÖ mit etwa 39 bis 44 Sitzen die meisten Mandate erringen wird, gefolgt von der FPÖ mit 20 bis 25 und schließlich den Grünen, der ÖVP und den NEOS, die jeweils um die Zweistelligkeit kämpfen. Da keine andere Partei allein oder in Kombination ohne die SPÖ eine Mehrheit erreichen kann, wird Bürgermeister Michael Ludwig die Schlüsselrolle in den Koalitionsverhandlungen spielen. Die Frage ist: Mit wem wird die SPÖ regieren? Die mathematisch möglichen Zweiparteienkoalitionen sind SPÖ mit FPÖ, Grünen, NEOS oder der ÖVP. Auch eine Dreierkoalition ist gegebenenfalls realistisch.
SPÖ und Grüne: Zurück zum Alten?
Eine Koalition zwischen SPÖ und Grünen scheint auf den ersten Blick naheliegend. Beide Parteien haben von 2010 bis 2020 gemeinsam regiert, und ihre ideologische Nähe bietet eine solide Grundlage. Judith Pühringer, die Spitzenkandidatin der Grünen, hat sich klar positioniert. In einer Rede im Februar 2025 rief sie zu „Rot-Grün statt Rot-Blass“ auf und kritisierte die aktuelle Zusammenarbeit der SPÖ mit den NEOS als zu wenig ambitioniert. Sie sieht in einer Koalition mit der SPÖ die Chance, Wien progressiv und nachhaltig zu gestalten, und distanzierte sich deutlich von der ÖVP, die sie als rückwärtsgewandt bezeichnete.
Michael Ludwig hat sich in einem Interview mit der ZiB 2 am 31. März 2025 zwar nicht festgelegt, doch er lobte die vergangene Zusammenarbeit mit den Grünen und betonte, dass frühere Koalitionen „gute Ergebnisse“ gebracht hätten. Diese Aussagen deuten darauf hin, dass eine rot-grüne Koalition für ihn eine ernsthafte Option ist. Laut aktuellen Umfragen würde diese Kombination eine komfortable Mehrheit bieten. Die Wahrscheinlichkeit dieser Koalition erscheint daher hoch, sofern eine Mehrheit von den beiden Parteien erreicht wird.
SPÖ und NEOS: Weiter wie bisher?
Seit 2020 regiert die SPÖ mit den NEOS, und diese Koalition hat sich als funktionsfähig erwiesen. Selma Arapović, die neue Spitzenkandidatin der NEOS nach dem Rückzug von Christoph Wiederkehr, betonte kürzlich, dass sie die „rot-pinke“ Zusammenarbeit fortsetzen möchte. Sie lobte die bisherige Arbeit, insbesondere in Bildung und Integration, und sieht in der Koalition eine Chance, Wien weiterhin „liberal und zukunftsorientiert“ zu gestalten. Wiederkehr selbst hatte 2023 die hohen Vertrauenswerte der Stadtregierung hervorgehoben und die SPÖ als verlässlichen Partner bezeichnet.
Ludwig sprach in der ZiB 2 positiv über die aktuelle Koalition und schloss eine Fortsetzung nicht aus. Die Mehrheit wäre gemessen an den aktuellen Umfragen zwar knapper als bei anderen Optionen, doch die bestehende Zusammenarbeit könnte ein entscheidender Vorteil sein. Verhandlungen wären vermutlich unkompliziert, da die Partner bereits eingespielt sind. Diese Kontinuität macht die Koalition zu einer der wahrscheinlichsten Optionen, auch wenn in dem Fall eine absolute Mehrheit der beiden Parteien genauso wenig garantiert ist wie bei rot-grün.
SPÖ und ÖVP: Ein überraschender Twist?
Eine Koalition mit der ÖVP klingt zunächst unwahrscheinlich, angesichts der historischen Spannungen zwischen den beiden Parteien. Doch Karl Mahrer, der ÖVP-Spitzenkandidat, hat sich offensiv als Partner positioniert. In einem Interview mit News im März 2025 erklärte er, dass die ÖVP Wien mitgestalten wolle und eine Koalition mit der SPÖ anstrebe, um eine „bürgerliche Handschrift“ einzubringen. Er distanzierte sich klar von der FPÖ, deren Wähler er als „verlorene Stimmen“ bezeichnete, und signalisierte Verhandlungsbereitschaft.
Ludwig erwähnte in der ZiB 2 vergangene Koalitionen mit der ÖVP positiv, was die Tür einen Spalt offenlässt. Auch diese Option ist laut aktuellen Umfragen rechnerisch möglich. Die ÖVP könnte zudem als Verhandlungspartner von der SPÖ genutzt werden, um Grüne oder NEOS unter Druck zu setzen. Dennoch bleiben Zweifel: Programmatische Unterschiede erschweren die Verhandlungen. Diese Option ist möglich, aber weniger wahrscheinlich als die Zusammenarbeit der SPÖ mit Grünen oder NEOS, es sei denn, die Wahlergebnisse zwingen zu einem unerwarteten Kurswechsel.
SPÖ und FPÖ: Eine theoretische, aber unwahrscheinliche Allianz
Mathematisch wäre eine Koalition mit der FPÖ die stärkste Option: Mit 66 Sitzen würde sie eine überwältigende Mehrheit sichern. Doch die Realität sieht anders aus. Ludwig hat eine Zusammenarbeit mit der FPÖ wiederholt ausgeschlossen. In seinem jüngsten ZiB 2-Interview erwähnte er die FPÖ nicht als Option, was seine ablehnende Haltung unterstreicht.
Dominik Nepp, der FPÖ-Spitzenkandidat, hat sich ebenfalls nicht als Koalitionspartner angeboten. In einem Interview mit Heute im Jänner 2025 kritisierte er die Stadtregierung scharf und positionierte sich als Oppositionsführer. Die ideologische und programmatische Kluft zwischen den beiden Parteien ist enorm, und die historische Ablehnung der SPÖ macht diese Option praktisch undenkbar. Selbst eine starke FPÖ mit über 20 Sitzen ändert daran wenig: Die politische Realität spricht gegen eine solche Allianz.
Doch eine Dreier-Koalition?
Falls die Wahlergebnisse von den Prognosen abweichen oder Verhandlungen stocken, könnten unkonventionelle Lösungen ins Spiel kommen. Eine Drei-Parteien-Koalition, etwa SPÖ, Grüne und NEOS wäre denkbar, wenn Ludwig eine breitere Basis sucht. Doch die Komplexität und die ausreichende Mehrheit mit zwei Parteien machen dies unwahrscheinlich. Ebenso könnte ein überraschender Aufschwung der FPÖ oder ein Einbruch der SPÖ die Dynamik verändern – doch selbst dann bleibt die SPÖ der zentrale Akteur.
Fazit: Wahrscheinliche Wege und offene Fragen
Die Wien-Wahl 2025 wird voraussichtlich eine SPÖ-geführte Regierung hervorbringen, und die wahrscheinlichsten Partner sind die Grünen oder die NEOS. Beide Optionen bieten ideologische Nähe und praktische Erfahrung, unterstützt durch entsprechende Aussagen der Spitzenkandidaten. Eine Koalition mit der ÖVP ist eine Außenseiteroption, die nur bei Verhandlungsproblemen oder einem Wandel in der Wählerstimmung realistisch wird. Die FPÖ bleibt trotz mathematischer Machbarkeit außen vor, da die politischen Gräben zu tief sind.
Die endgültige Entscheidung hängt von den Wahlergebnissen und den Verhandlungen ab, doch die Zeichen deuten auf Kontinuität mit den NEOS oder eine Rückkehr zu Rot-Grün hin.