Spiegel-Journalistin Amann: „Habe Chrupalla oft unterbrochen, um TikTok-Clips zu verhindern“
Die stellvertretende Spiegel-Chefredakteurin Melanie Amann hat sich in einem Podcast zu ihrer umstrittenen „Kamikaze-Strategie“ bei Maybrit Illner gegen den AfD-Politiker Tino Chrupalla geäußert. Sie räumte ein, dass diese Taktik die Zuschauer verärgert habe und sie wisse, dass das Vorgehen unverschämt gewesen sei.
Ende April waren der AfD-Vorsitzende Tino Chrupalla, Armin Laschet von der CDU, die stellvertretende Spiegel-Chefredakteurin Melanie Amann sowie der BDI-Präsident Siegfried Russwurm und die Schriftstellerin Juli Zeh zu Gast bei Maybrit Illner. In der Ende Juni erschienenen Folge des Podcasts „FREIHEIT DELUXE“ sprach die stellvertretende Spiegel-Chefredakteurin mit der Moderatorin Jagoda Marinić auch über diese Talkshow und verriet dabei, welchen Umgang mit der AfD sie für richtig hält.
„Habe Chrupalla oft unterbrochen“
Amann erklärte zunächst, dass sie bei sich selbst merke, dass sie vielleicht zu sehr zu einer gewissen Normalisierung der AfD beigetragen habe, indem sie sich in diese Talkshow-Debatten mit AfD-Politikern begebe und die Zuschauer vor dem Fernseher dann denken: „Oh Gott, wenn der arme Tino Chrupalla, wenn so auf den eingeprügelt wird, das finde ich falsch. Ich bin zwar kein AfD-Fan, aber dass die jetzt da zu dritt oder zu viert auf den einschreien oder so, das geht nicht“. Diesen Effekt glaubt Amann erzeugt zu haben, weil sie in ihrem Debattiermodus einfach zeigen wollte, was ne Hake ist, „weil ich schrecklich finde, was die Partei macht“ und weil sie auch wollte, „dass die Leute diese Vorwürfe kennen und er sie nicht weglächeln kann“. Die Podcast-Moderatorin ist jedoch der Meinung, dass man die AfD so nicht stellen könne und es die Leute auch nicht interessiere: „Und sie nutzen es in ja ihren Sozialen Medien ja trotzdem für sich. Also die wissen ja, wie ich so ein Video kreiere“, wo es dann heißt, Chrupalla habe die Diskutantin „zerlegt“.
Daraufhin erklärt die stellvertretende Chefredakteurin des Spiegels, dass sie auch mit dem Ziel in diese Sendung gegangen sei, zu verhindern, dass Chrupalla daraus TikTok-Clips machen könne, weshalb sie den Politiker oft unterbrochen habe. „Weil ich irgendwie dachte, wenn der frei reden darf, das ist das einzige, was den interessiert.“ Er denke gar nicht an die Leute, die das im linearen Fernsehen schauen, sondern nur an die Nutzer von Social Media. Das sei dann auch der Effekt, der wirklich nachhaltig sei. „Weil diese Videos sind dann ewig da, die werden geshared, die haben nen long tail, mit der Zeit schauen das immer mehr Leute“. Ob Chrupalla bei eineinhalb Stunden Maybrit Illner alt ausgesehen habe, wisse dann keiner mehr, weil es diese Clips seien, die bleiben, so Amann. „Deswegen hab ich halt immer wieder ihm reingelabert, was ihn auch total genervt hat“, lacht Amann und fährt fort, „damit er nicht diese ungeschützte, unwidersprochene Clip-Phase hat“. Sie habe daraufhin viele Mails bekommen, in denen sich Zuschauer beschwert hätten, wie „unverschämt“ es von ihr gewesen sei, Chrupalla immer wieder zu unterbrechen. „Natürlich ist es auch irgendwie unverschämt, natürlich gehört es sich nicht in ner Diskussion, natürlich hätte ich das weder im Debattierclub noch in der Redaktionskonferenz noch im normalen Diskurs mit nem normalen Politiker so gemacht“, so Amann. Sie habe aber verhindern wollen, „dass dieser Typ nachher“ trotzdem als Sieger vom Platz geht, obwohl man ihn gestellt habe, nur „weil er halt seine Propaganda dann verwursten kann“. Amann bezeichnete dies als „Kamikaze-Strategie“.
Frühere Kritik an Amann
Erst gestern hatte Amann in Sozialen Medien mit einer Aussage, die aus derselben Podcast-Folge stammt, Kritik auf sich gezogen. Im Schlusswort sagte sie auf die Frage der Moderatorin hin, wann sie Freiheit erlebe, nämlich: „Eigentlich immer, wenn ich für den Spiegel etwas geschrieben habe und unterwegs war für den Spiegel, etwas beobachten konnte, an einem Ort sein konnte, wo nicht jeder einfach so hingehen kann, sondern wo ich wegen meines Berufs, dieses unfassbare Privileg, diese Zugänge zu haben, Leute zu erleben, mit Politikern zu reden auf ne Weise, die man sonst nicht hat. Das ist so ein unglaubliches Gefühl von Freiheit und Selbstverwirklichung. (...) Das ist für mich die pure Freiheit (...) es ist erfüllend.“ Bei vielen Nutzern löste diese Aussage Irritation aus, einer sprach sogar von „Groupie-Verhalten“ (FREILICH berichtete).