Anti-AfD-Gutachten unter der Lupe: Wie neutral sind die Verfassungsrechtler?
17 Verfassungsrechtler begründen in einem „Rechtsgutachten“ ein Verbot der AfD. An der Neutralität mancher Juristen sind jedoch Zweifel angebracht.
Am Mittwoch hat eine Gruppe von Verfassungsrechtlern dem Innenausschuss des Bundestages ein Gutachten („rechtswissenschaftliche Stellungnahme“) vorgelegt. Demnach hätte ein Verbotsverfahren gegen die AfD Aussicht auf Erfolg. FREILICH berichtete über die Widersprüche des 31-seitigen, teilweise absurden Gutachtens.
Das Gutachten steht im Widerspruch zu Aussagen von Politikern um die Grünen-Abgeordnete Renate Künast und den Berliner Verfassungsrechtler Christoph Möllers. Möllers und Künast hatten kürzlich in einer von FREILICH geleakten geheimen Zoom-Konferenz erhebliche Zweifel geäußert: Die Zeit der laufenden Legislaturperiode reiche nicht aus, um einen wasserdichten Verbotsantrag mit Unterstützung der Mehrheit des Bundestages auf den Weg zu bringen. Zudem sei es mehr als fraglich, ob die Tatbestandsvoraussetzungen für ein Verbot der AfD überhaupt vorliegen. Ein Blick auf einige der 17 Gutachter, die ein Verbot der AfD für realistisch halten, wirft allerdings Fragen nach der politischen Neutralität und der damit verbundenen Wissenschaftlichkeit auf – ein Gutachter ist zum Beispiel SPD-Mitglied. FREILICH hat die Gutachter anhand frei und öffentlich zugänglicher Quellen näher untersucht, um das Gutachten besser einordnen zu können.
Finanzierung der Universitäten
Doch zunächst eine Vorbemerkung: Laut Hochschulrektorenkonferenz werden die deutschen Hochschulen zu 90 Prozent von Bund und Ländern finanziert. Und damit indirekt von den regierenden Parteien. Der Kommunikationswissenschaftler Professor Michael Meyen sieht diese Abhängigkeit der Hochschulen vom Staat kritisch: Die heutigen Hochschulen werden von Konformismus beherrscht. Das Bekenntnis zu Diversity, Gender und zum menschengemachten Klimawandel entscheide über die Karriere in der Wissenschaft.
Professor Matthias Goldmann ist einer der 17 Unterzeichner der Anti-AfD-Erklärung. Goldmann ist nebenberuflich Referent am Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Recht in Heidelberg. Sein Institut gehört zur Max-Planck-Gesellschaft (MPG). Die MPG wurde im vergangenen Jahr von Bund und Ländern mit mehr als zwei Milliarden Euro gefördert. Die EU steuerte rund 80 Millionen Euro bei.
Pikant: MPG-Chef Patrick Cramer sagt im Grußwort des Jahresberichts 2023, „nationalistische Kräfte“ schürten „Fremdenfeindlichkeit“. Mut macht Cramer, dass viele Menschen für die „Vielfalt in der Bevölkerung“ auf die Straße gehen. Die Arbeit der MPG werde dazu beitragen, die „Widerstandsfähigkeit der Demokratie“ zu stärken.
Gutachter mit Parteibuch
Ein weiterer Gutachter ist Stefan Huster. Er ist Professor für Öffentliches Recht an der Universität Bochum. Der Unterzeichner des Anti-AfD-Gutachtens ist zudem Mitglied der SPD und in der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Juristen aktiv. Für die Reihe Demokratie im Ausnahmezustand der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung lieferte er mehrfach Beiträge mit dem Schwerpunkt Gesundheitsrecht (2017, 2018 und 2021). Er unterstützte auch die Linie von SPD-Gesundheitsminister Karl Lauterbach: In der taz forderte Huster im Februar 2022 ebenfalls die Einführung einer staatlichen Impfpflicht. Das Recht auf Impffreiheit, so Huster, sei nur dann vernünftig, wenn sich jeder an Covid erkrankte Ungeimpfte „still in den Wald zurückzöge und unbemerkt verstürbe.“
Gern gesehene Gastredner
Franz Mayer ist Professor für Öffentliches Recht an der Universität Bielefeld. Für die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung arbeitete Mayer an einem Sammelband zur Eurokrise mit. In einem Interview mit der Frankfurter Rundschau im Juni 2023 besprach der Verfassungsrechtler die Abwahl einer AfD-geführten Landesregierung durch den Bund. Mayer wörtlich: „In letzter Konsequenz könnte das sogar dazu führen, dass der Bund eine Landesregierung absetzt und das Land durch einen Bundeskommissar regieren lässt.“ Weitere „Daumenschrauben“ des Bundes für unliebsame AfD-Landesregierungen sieht Mayer in der Streichung von Wirtschaftsfördermitteln, dem Ausschluss aus der Ministerpräsidentenkonferenz und der Aufkündigung der Polizeikooperation.
Zu den Unterzeichnern des Anti-AfD-Gutachtens gehört auch Kathrin Groh von der Universität der Bundeswehr München. Groh war Gastrednerin bei der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung und der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung. Auf der Netzrubrik Rechtsextremismus der Konrad-Adenauer-Stiftung wird ihr Artikel zum NPD-Verbotsantrag beworben.
Das Verbot des AfD-freundlichen Medienhauses Compact durch Innenministerin Nancy Faeser (SPD) bezeichnete Groh im Juli 2024 auf dem Netzportal Verfassungsblog als rechtlich unproblematisch. Der Zusammenschluss von Compact zu einem Medienhaus sei kein „Freifahrtschein“ gegen ein Verbot, so Groh. Das Bundesverwaltungsgericht kam hingegen zu einem anderen Ergebnis. In seinem Urteil vom 14. August 2024 setzte das Gericht das Compact-Verbot im Eilverfahren aus: Denn ein Verbot sei wohl unverhältnismäßig, da es mildere Mittel wie Veranstaltungs- und Äußerungsverbote gebe. Es bleibt abzuwarten, ob das Bundesverfassungsgericht im Falle eines Verbotsverfahrens gegen die AfD ähnlich wie im Compact-Fall im Sinne der Freiheit oder im Sinne der Kartellparteien entscheiden wird.
Natürlich lassen diese öffentlichen Informationen – mit Ausnahme der SPD-Mitgliedschaft von Huster – keine direkte und eindeutige Zuordnung der Gutachter zu, ebenso wie die Teilnahme an Veranstaltungen parteinaher Stiftungen nicht automatisch eine Sympathie für die jeweilige Partei bedeuten muss. Dennoch lassen einige Aussagen durchaus Rückschlüsse auf die Neutralität und damit die Wissenschaftlichkeit zu: Kann ein Jurist, der sich offen oder subtil als AfD-Gegner positioniert hat oder Mitglied einer konkurrierenden Partei ist, neutral und wissenschaftlich über ein Verbot der AfD entscheiden? Das ist möglich – aber Fragen nach möglicher Befangenheit oder mangelnder Neutralität sind hier berechtigt. Zu den anderen, hier nicht genannten, Juristen hat FREILICH bei einer Recherche nichts Erwähnenswertes gefunden.