CDU und BSW – Eine Koalition, aber zwei Dilemmata

Sowohl in Sachsen als auch in Thüringen wird am 1. September ein neuer Landtag gewählt. Nicht nur die Umfragewerte deuten auf eine mögliche Koalition aus CDU und dem Bündnis Sahra Wagenknecht hin. In seinem Kommentar für FREILICH skizziert Daniel Fiß, welche Schwierigkeiten dies für beide Parteien bedeuten könnte.

Daniel Fiss
Kommentar von
21.6.2024
/
3 Minuten Lesezeit
CDU und BSW – Eine Koalition, aber zwei Dilemmata
Umfragen zufolge könnte das BSW im Herbst als drittstärkste Kraft in den Sächsischen Landtag einziehen.© IMAGO / Christian Schroedter

Knapp zehn Wochen vor der Wahl deuten sowohl die Umfragewerte als auch die Äußerungen der Parteiprominenz aus dem Unions- und Wagenknecht-Lager auf eine Koalition aus CDU und BSW in Sachsen und Thüringen hin (FREILICH berichtete). Lange Zeit war die Öffentlichkeitsarbeit der CDU strikt auf das Framing „Kampf um eigene Mehrheiten unter Führung der Union“ ausgerichtet. Inzwischen sind die Umfrageentwicklungen und auch die zurückliegenden Ergebnisse der Europawahlen so eindeutig, dass diese Kommunikation wohl nicht einmal mehr der eigenen Kernanhängerschaft vermittelt werden kann.

Zumal die CDU ohnehin nur zwei – aus ihrer Sicht – schlechte Optionen hat, die in der eigenen Basis und auch Wählerschaft Sprengpotenzial haben. Geht sie ein bürgerliches Bündnis oder eine von der AfD tolerierte Minderheitsregierung ein, wird es vor allem bundespolitisch knallen. Lässt sie sich auf das BSW oder gar die Linkspartei (im Schlepptau SPD, Grüne und Co.) ein, dürfte die Basis vor Ort noch stärker verprellt werden.

Schwere Entscheidung für die CDU

Grundsätzlich gilt: Die Brandmauer wird auf kommunaler Ebene in den nächsten Jahren Schritt für Schritt fallen. Bedingt durch die faktisch neuen parlamentarischen Realitäten. In 50 von 75 (!) Kreistagen ist die AfD im Osten stärkste Kraft. Das ist zunächst einmal eine solide Machtbasis, die sich nicht durch programmatische oder personelle Zugeständnisse und Verhandlungen korrumpieren lassen muss, sondern die schlichte strategische Machtressource demokratischer Mehrheiten ausspielen kann. Diese Konstellation zwingt zunächst die anderen, politische Barrieren und Hemmschwellen abzubauen – nicht die AfD!

Voigt und Kretschmer werden also nach der Wahl wieder nach links schauen müssen. In Sachsen gab es zwar schon ein Bündnis mit den Grünen – aber der Exodus der grünen Wähler (und auch der Linken und der SPD) im Osten lässt vermuten, dass die CDU mit diesen Koalitionsoptionen nur noch einen Vertrauensvorschuss auf Zeit genießt. Mit der Integration von BSW wird man die eigene Basis und Anhängerschaft kaum zufriedenstellen können. Dort wird sich natürlich die Frage stellen, wie lange man die eigene politische Profilbildung noch zugunsten einer „Mehrheitsbildung gegen die AfD“ zurückstellen will.

BSW-Wähler könnten enttäuscht sein

Aber auch für das BSW stellen sich einige Fragen der strategischen Ausrichtung. Der frisch gewählte BSW-Europaabgeordnete und ehemalige Bundestagsabgeordnete Fabio De Masi hatte bereits vor einigen Monaten angedeutet, dass die Ost-CDU nicht am BSW vorbeikommen werde. Wagenknecht selbst sagt zwar, sie gehe „nicht um jeden Preis“ in eine Koalition, hat aber dennoch Bereitschaft signalisiert, Regierungsverantwortung zu übernehmen. Kommunikativ mag das solide sein, strategisch ist es ein Wagnis.

Die Migrantenwähler der BSW, die nun die Linkspartei pulverisieren, die SPD zur Einstelligkeit verdammen und zugleich weitere Höhenflüge der AfD gebremst haben, werden dem BSW ihren Vertrauensvorschuss für die Installation eines CDU-Ministerpräsidenten nicht gegeben haben.

BSW und CDU mögen sich in Fragen der Wirtschaftspolitik, der inneren Sicherheit und (ein wenig) der Zuwanderungsbegrenzung einig sein – spätestens bei der friedenspolitischen Komponente, die für die BSW-Anhängerschaft ein wichtiges politisches Thema ist, dürfte es zu erheblichen Spannungen kommen.

Chancen für die AfD

Zu den möglichen programmatischen und kommunikativen Konfliktpotentialen kommt beim BSW freilich noch ein entscheidender struktureller Faktor hinzu. Die Landesverbände und Landeslisten des BSW sind erst wenige Monate alt. Die vorderen Listenplätze konnten noch mit einigen Prominenten und erfahrenen Überläufern aus der Linkspartei aufgefüllt werden, aber es finden sich auch eine Reihe von politischen Neulingen.

Aus welchem erweiterten Personalpool will man geeignete Leute für Minister-, Staatssekretärs-, Referentenposten etc. rekrutieren? Wie baut man eine arbeitsfähige und vor allem gegenüber dem Koalitionspartner durchsetzungsfähige Regierungsfraktion auf? Hier liegen noch einige Stolpersteine, vor denen auch eine mittlerweile elf Jahre alte AfD ratlos steht.

Von dieser Entwicklung kann die AfD durchaus profitieren. Der Niedergang der klassischen linken und sozialdemokratischen Parteien bei gleichzeitigem Erstarken der politischen Rechten, der bürgerlichen Mitte und eines „Anti-Establishment-Linkskonservatismus“ erweitert auch die Potenzialräume auf dem Wählermarkt.

Die AfD wird mit deutlichem Abstand (wenn nicht sogar allein) Oppositionsführer und kann ihre Energien auf die Professionalisierung und weitere Verankerung im Superwahljahr 2029 konzentrieren. Dann wird (wenn nicht irgendwo vorgezogen) gewählt: Bundestag, Europa, Kommunalwahlen, Sachsen, Thüringen, Brandenburg. Der strategische Weg ist also eigentlich schon vorgezeichnet!


Zur Person:

Daniel Fiß wurde 1992 geboren und studierte sechs Semester Good Governance und Politikwissenschaft an der Universität Rostock. Seit 2020 betreibt er den „Feldzug Blog“, auf dem er regelmäßig Analysen zu Demoskopie, politischer Soziologie und Kommunikation veröffentlicht.

Die in Gastbeiträgen geäußerten Ansichten geben ausschließlich die Meinung des jeweiligen Autors wieder und entsprechen nicht notwendigerweise denen der Freilich-Redaktion.
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