Exklusiv: Fast jeder zweite ausländische Arzt scheitert am Sprachtest
Aufgrund des Ärztemangels sind Ärzte aus dem Ausland in Deutschland sehr gefragt. Recherchen von FREILICH zeigen jedoch, dass viele Ärzte bereits an der ersten Hürde zur Berufsausübung in Deutschland scheitern: der Sprachprüfung.
Die Fachsprachprüfung ist ein zentraler Bestandteil des Approbationsverfahrens für ausländische Ärzte, die ihre medizinische Ausbildung nicht in Deutschland absolviert haben, aber in Deutschland den ärztlichen Beruf ausüben möchten. Ziel der Prüfung ist der Nachweis der berufsspezifischen Deutschkenntnisse, die für die Ausübung des Arztberufes in Deutschland erforderlich sind.
Für die Zulassung zur Fachsprachprüfung müssen Sprachkenntnisse mindestens auf dem Niveau B2 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens (GER) und fachsprachliche Kenntnisse auf dem Niveau C1 nachgewiesen werden. Diese Voraussetzung gilt für alle Ärzte, die ihre Deutschkenntnisse nicht durch einen Abschluss an einer deutschsprachigen Hochschule, Schule oder Berufsausbildung nachweisen können. Wer die Prüfung nicht im ersten Anlauf besteht, kann sie so oft wiederholen, bis sie bestanden ist. Eine Begrenzung gibt es nicht. Allerdings ist bei jedem Versuch die Prüfungsgebühr zu entrichten, die je nach Bundesland zwischen 390 und 600 Euro beträgt.
In Sachsen fällt fast jeder Zweite durch
Dass für viele Prüflinge ein zweiter Anlauf nötig ist, zeigt ein Blick auf die Zahlen der Bundesländer. Bereits Anfang November berichtete FREILICH, dass im Jahr 2023 fast die Hälfte der ausländischen Ärzte, die in Sachsen als solche arbeiten wollen, an der Sprachprüfung gescheitert sind. Wie aus der Antwort auf eine Anfrage der AfD hervorgeht, konnten rund 49 Prozent der Prüflinge aus dem Ausland nicht die erforderlichen Sprachkenntnisse nachweisen. Von 200 syrischen Ärzten bestanden 112 die Prüfung nicht, von 26 ukrainischen Ärzten fielen 15 durch. Insgesamt erhielten in Sachsen 211 ausländische Ärzte eine Berufserlaubnis. In anderen Bundesländern zeigt sich ein ähnliches Bild, wie FREILICH von den zuständigen Stellen erfuhr.
Durchfallquote in Sachsen
Prüfungskandidaten für die medizinische Fachsprachenprüfung in Sachsen, in ganzen Zahlen
Mehr als 1.000 Durchgefallene in einem Jahr in Bayern
Demnach wurden in Bayern zwischen Juni 2023 und Mai 2024 insgesamt 2.383 Fachsprachenprüfungen durchgeführt. Davon haben 1.338 bestanden und 1.045 nicht bestanden, was einer Bestehensquote von 56,2 Prozent entspricht. Woher die Prüflinge kamen, ist nicht bekannt. Laut der bayerischen Landesärztekammer wird die Staatsangehörigkeit nicht erfasst.
Berlin meldete für das Jahr 2023 insgesamt 384 bestandene und 242 nicht bestandene Prüfungen – rund 38 Prozent sind also durchgefallen. Brandenburg liegt mit einer Durchfallquote von etwa 50 Prozent etwas höher, genaue Zahlen konnte die Landesärztekammer jedoch ebenso wenig nennen wie Angaben zur Nationalität der Prüflinge. In keinem der beiden Bundesländer wird eine solche Aufschlüsselung vorgenommen beziehungsweise ist nach Auskunft der Stellen technisch nicht möglich.
Bestehensquote in Bayern und Berlin
in Prozent
Hamburg liegt unter dem Bundesdurchschnitt
Die Ärztekammer Bremen hat im Jahr 2023 insgesamt 111 Fachsprachenprüfungen durchgeführt, von denen 57 bestanden wurden. Die Durchfallquote liegt hier bei knapp 49 Prozent. Mit einer Durchfallquote von 40 bis 45 Prozent liegt Hamburg ähnlich wie Berlin unter dem Bundesdurchschnitt, hier wird auch die Nationalität der Prüflinge erfasst. Demnach stammt ein Großteil aus dem Iran (rund 60 Prozent) und Syrien (rund 25 Prozent), wie die Landesärztekammer gegenüber FREILICH mitteilte.
In Mecklenburg-Vorpommern, wo die Kammer auch die Prüfungen für Schleswig-Holstein abnimmt, wurden im Jahr 2023 insgesamt 408 Fachsprachprüfungen durchgeführt. Genaue Bestehens- beziehungsweise Nicht-Bestehensquoten konnten allerdings nicht mitgeteilt werden, da diese Zahlen „irreführend“ seien: „Die Zahlen beziehen sich auf einen Stand jeweils zum 31.12. des Jahres. Fachsprachenprüfungen können aber unbegrenzt wiederholt werden, das heißt, es lassen sich keine Zahlen pro Jahr und schon gar nicht pro Nationalität ableiten“, hieß es. Es konnte jedoch mitgeteilt werden, dass die meisten Prüflinge aus asiatischen Ländern kommen.
Thüringen als positiver Ausreißer
Mit 56,3 Prozent (2023) liegt die Durchfallquote in Niedersachsen deutlich über dem Durchschnitt. Die Ärztekammer Nordrhein führte im Jahr 2023 insgesamt 2.040 Prüfungen durch. 731 bestanden nicht, was einer Durchfallquote von 35,8 Prozent entspricht. Syrer, Türken und Iraner bildeten die Hauptgruppen der Prüflinge.
In Westfalen-Lippe lag die Nicht-Bestehensquote im Jahr 2023 bei 52,4 Prozent, wobei hier nur die Einzelprüfungen und nicht die Wiederholungsprüfungen berücksichtigt wurden. Die größte Gruppe der Prüflinge stammt aus Syrien, gefolgt von Russland und der Türkei, deren Zahl in den letzten Jahren deutlich zugenommen hat, wie aus einem Bericht der Ärztekammer hervorgeht. Insgesamt repräsentieren die dortigen Prüflinge 121 verschiedene Nationalitäten. Das Bundesland, das in dieser Übersicht heraussticht, ist Thüringen. Dort lag die Durchfallquote im vergangenen Jahr bei nur 26 Prozent.
Durchfallquote in Niedersachsen, Westfalen-Lippe und Thüringen
in Prozent
AfD wertet Ergebnisse als „fundamentalen Missstand“
Bereits nach Bekanntwerden der hohen Durchfallquote in Sachsen wurde Kritik an den Ergebnissen laut. So wertete der AfD-Abgeordnete Sebastian Wippel diese als Indiz dafür, „dass es unter Umständen auch Defizite bei der fachlichen Eignung der ausländischen Ärzte geben könnte“ und forderte, dass Ärzte aus Drittstaaten vor der Approbation das zweite und dritte Staatsexamen in Deutschland ablegen müssten. Zudem sei es wichtig, einheimische Medizinstudenten zu fördern, etwa indem mehr Gymnasiasten solch ein Studium ermöglicht werde.
Der gesundheitspolitische Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion, Martin Sichert, erklärte auf Anfrage von FREILICH, die durch Wippels Anfrage bekannt gewordenen Zahlen spiegelten einen „fundamentalen Missstand“ wider: „Seit Jahren verkünden Politiker von CDU, SPD und Grünen, dass sich der Fachkräftemangel und die damit drohenden Versorgungslücken in der Medizin am besten durch die Gewinnung von Ärzten und Pflegekräften aus dem Ausland und deren schnelle Eingliederung in das deutsche Gesundheitssystem beheben ließe“, so Sichert.
Die AfD im Bundestag setze sich hingegen dafür ein, dass alle im deutschen Gesundheitswesen tätigen medizinischen Fachkräfte, unabhängig von ihrem Herkunftsland oder Studienort, die gleichen hohen Standards erfüllen und ein einheitliches Verständnis der deutschen medizinischen Standards und Abläufe haben. „Nur so können wir sicherstellen, dass die Qualität und die Sicherheit der Patientenversorgung gewährleistet ist“, betont Sichert und führt weiter aus, „dass die bisherigen Kenntnisprüfungen nicht ausreichen“.
Probleme an der Wurzel packen
Die AfD fordert zudem, dass Ärzte mit ausländischem Studienabschluss verpflichtende Schulungen und Prüfungen absolvieren, um ihre Kenntnisse des deutschen Gesundheitssystems nachzuweisen. „Einheimische Medizinstudenten zu fördern ist selbstverständlich eine elementare und naheliegende Aufgabe“, betont Sichert. „Denn je mehr deutsche Ärzte mit hoher Fachkompetenz zugelassen werden, desto weniger ausländische Ärzte werden benötigt.“
Die AfD fordert, die Probleme „an der Wurzel zu packen“. Dazu gehöre nicht nur die Schaffung zusätzlicher Medizinstudienplätze, sondern auch die Abschaffung der Budgetierung für Ärzte, der Bürokratieabbau durch Digitalisierung, der Stopp der Medizinbürokratie und die Schaffung eines gemeinsamen Abrechnungs- und Vergütungssystems für ambulante Leistungen, einheitlich für Praxen, Krankenhäuser und Rettungsdienste. Die Frage an die übrigen Fraktionen, welche Maßnahmen gegen dieses Problem ergriffen werden könnten, blieb unbeantwortet.