Freibrief an Christian Stocker – Die Volkslospartei: Größenwahn im Wählertiefflug?
Die ÖVP unter Christian Stocker verzettelt sich in taktischen Spielchen anstatt eine Regierung zu bilden. In seinem Kommentar für FREILICH kritisiert Heimo Lepuschitz dieses Vorgehen als unverantwortlich.
Österreich 2025. Monate nach der Nationalratswahl hat das Land mitten in einer Budget- und Wirtschaftskrise immer noch keine Regierung. Trotz relativ einfacher Mehrheiten, weit jenseits der Fünfparteien-Unregierbarkeit anderer Länder. Im Zentrum der Verantwortlichkeit, nach der realpolitisch absurden Dauerpositionierung der SPÖ, nicht mit der FPÖ zu verhandeln, die ÖVP unter ihrem neuen designierten Obmann Christian Stocker. Ein im normalen Umgang durchaus gebildet, angenehm jovialer Anwalt, der kommunalpolitisch in Wiener Neustadt bewiesen hat, konstruktiver Teil auch atmosphärisch schwieriger Koalitionen sein zu können.
Und jetzt frage ich Sie, geschätzter Herr ÖVP-Obmann in spe Stocker, warum geht bei den Koalitionsverhandlungen zu wenig weiter? Weshalb wird auf einmal blockiert? Warum werden Parallelverhandlungen mit der SPÖ geführt? Werden, trotz Stillschweigevereinbarungen, Hintergrundgespräche mit Journalistenrunden geführt? Warum glaubt die Volkspartei, dass der gescheiterte schwarz-grüne Weg weitergeführt werden soll und kann? Wenn man hört, dass beispielsweise im Sicherheitsbereich die ÖVP ihre eigenen Wahlprogrammforderungen, die ziemlich identisch mit denen der Freiheitlichen sind, gegen die FPÖ abschmettert, dann fragt man sich schon, was das Ziel der derzeitigen Volkslospartei ist? Gut, Umfragen können und werden sich ändern. Gut, man muss die Volkspartei als Freiheitliche respektvoll und fair behandeln, darf sie nicht demütigen und überfahren. Aber das passiert doch großteils auch in den Verhandlungen, wenn die breit gestreuten Insider-Informationen aus beiden Parteien stimmen?
Inhaltliche Einigkeit, politische Sturheit
Was erwartet sich die Volkslospartei von einem Scheitern der Verhandlungen, die in weiten Teilen doch inhaltlich gut laufen und bei Streitpositionen einfach einen fairen Abtausch benötigen? Ein kleiner Tipp aus eigenen Koalitionsverhandlungen: Keine faulen Kompromisse in Dissensgebieten, sondern in den wählerrelevanten Kerngebieten jeweils nachgeben, wenn es nicht der eigenen Positionierung diametral widerspricht. Beide Parteien brauchen Erfolge. Warum beispielsweise die ÖVP die bei der eigenen Wählerschaft völlig unpopuläre ORF-Haushaltsabgabe mit gleicher Sturheit verteidigt, wie die für sie überlebenswichtigen Wirtschaftskammerabgaben, ist niemandem erklärbar. Warum man als ÖVP FPÖ-Gegner als Chefverhandler nominiert hat, wie beispielsweise Medienministerin Raab, die keinerlei Interesse an einer Einigung hat und mit einem Bundeskanzler Herbert Kickl ihren Rückzug angekündigt hat, ist entweder handwerklich dilettantisch oder gewollt.
Herr Stocker, was sollen Parallelverhandlungen mit der SPÖ bringen, wenn Herr Babler bleibt? Gibt es keine staatspolitische Verantwortung mehr? Ist die Volkslospartei so abhängig von Brüssel, dass man sich aus der EVP-Zentrale, aus der Kommission politisch fernsteuern lässt? Jeder politische Verantwortliche mit einem Funken Realitätssinn weiß, dass wenn Frau von der Leyen eine Position vertritt, die Gegenposition in Österreich zumindest populärer ist. Als ÖVP herumzumerkeln, wenn selbst Friedrich Merz erkennt, dass der Merkel-Weg in den Untergang führt? Gelobt werden wollen von der Blase, von Klenk bis Fischer? Den Oscar für den bravsten Steigbügelhalter der Linken? Das ist Ihr Anspruch?
Schluss mit den Spielchen!
Herr Stocker, natürlich gehören zum Streiten schon Zwei, verstehe ich die Probleme der ÖVP, zerrieben zwischen Interessensgruppen, mit Megadruck aus Brüssel, politisch instabil, ideologisch zerrissen, finanziell am Ende, normalerweise chancenlos Bankkredite für einen Wahlkampf zu erhalten, wenn die neuen Bankenrichtlinien angewandt werden, aber denken Sie doch einfach einmal darüber nach, ob Ihnen eine neue Ampel mit nächstem Scheiterpotenzial strategisch aussichtsreicher erscheint, als eine Koalition mit dem von Ihnen ungeliebten Herbert Kickl, dessen Meinung man nicht teilen muss, der aber anerkannt Handschlagqualität besitzt und ein zuverlässiger Partner wäre. Zumindest ein vertrauenswürdigerer Partner als Ihre eigene Partei historisch gesehen für die FPÖ oder jeden anderen Koalitionspartner.
Schluss mit den Spielchen, schnell eine stabile Regierung, ran an die Arbeit. Das erwarten die Steuerzahler zu Recht von den Bezahlten, den Politikern. Schach spielen können Sie in der Pension, nicht auf Kosten der Zukunft unserer Kinder und unseres Landes. Keine neuen Ampelspielchen, Hinterzimmerintrigen. Das Haus Österreich brennt und die Feuerwehr spielt Spielchen. Um einen alten Jörg Haider Slogan zu recyceln: „Hackeln statt packeln“ ist angesagt.