„Widerspricht unseren Interessen“: Polen will Stopp deutscher Nord-Stream-Ermittlungen
Polen fordert von Deutschland ein Ende der Ermittlungen zur Sabotage von Nord Stream und stellt sich damit offen gegen die Berliner Linie.
Regierungschef Donald Tusk hatte sich zuletzt ebenfalls deutlich gegen eine Auslieferung des festgenommenen Verdächtigen im Fall der Nord-Stream-Sabotage ausgesprochen.
© IMAGO / newspixWarschau/Berlin. – Die polnische Regierung hat Deutschland aufgefordert, die strafrechtlichen Ermittlungen gegen ukrainische Staatsbürger im Zusammenhang mit der mutmaßlichen Sabotage der Nord-Stream-Pipelines einzustellen. Hintergrund sind die Explosionen im Jahr 2022, durch die die beiden Gasleitungen zwischen Russland und Deutschland erheblich beschädigt wurden.
Ermittlungen gegen ukrainische Verdächtige
Schweden und Dänemark hatten ihre Untersuchungen nach dem Anschlag, der wenige Monate nach Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine stattfand, bereits im vergangenen Jahr beendet. Deutsche Behörden verfolgen den Fall hingegen weiter und haben europäische Haftbefehle gegen mehrere ukrainische Taucher erlassen. Diese sollen von Deutschland aus zu der Aktion aufgebrochen sein, um die Pipelines zu zerstören, so die Ermittler.
In Polen wurde kürzlich die Untersuchungshaft eines Verdächtigen verlängert. Im Sommer war ein weiterer Ukrainer in einem Ferienort nahe der italienischen Stadt Rimini festgenommen worden. Er wehrt sich derzeit gegen seine Auslieferung nach Deutschland.
Warschau sieht Widerspruch in Russlandpolitik
Sławomir Cenckiewicz, der Leiter des Nationalen Sicherheitsbüros, übte deutliche Kritik an der deutschen Haltung. In einem Interview mit der britischen Wirtschaftszeitung Financial Times sagte er, Berlin solle die Verfahren einstellen, wenn es seine Russlandpolitik besser mit der Haltung Polens und anderer NATO-Staaten abstimmen wolle.
Er erklärte, wenn Deutschland Personen verfolge, „die die Einnahmequelle der russischen Kriegsmaschine zerstört“ hätten, entstehe ein klarer Interessenkonflikt zwischen Warschau und Berlin. Aus polnischer Sicht ergebe eine solche Untersuchung „keinen Sinn“ – weder für die Interessen Polens noch für das Bündnis insgesamt. Eine Strafverfolgung würde zwar der deutschen Justiz dienen, gleichzeitig aber auch „russischer Ungerechtigkeit“.
Keine Auslieferung im Interesse Polens
Auch Regierungschef Donald Tusk hatte sich zuletzt deutlich gegen eine Auslieferung des festgenommenen Verdächtigen ausgesprochen. Für Warschau liege das Problem nicht in der Sprengung der Pipeline, sondern darin, „dass sie überhaupt gebaut wurde“, sagte er.
Cenckiewicz betonte zudem, dass ihm keine Informationen darüber vorlägen, dass Polen die ukrainischen Beteiligten unterstützt habe. Dennoch liege es im Interesse des polnischen Staates, „alle zu schützen, die möglicherweise an der Zerstörung von Nord Stream 2 beteiligt waren“, da die Pipeline aus Warschauer Sicht Teil der russischen Kriegsmaschinerie sei.
Die Nord-Stream-Pipelines spielten eine zentrale Rolle in der europäischen Energieversorgung. Noch vor den Explosionen hatte Russland die Gaslieferungen durch Nord Stream 1 gestoppt. Nord Stream 2 war hingegen nie in Betrieb gegangen.