Automobilindustrie: Regierung lehnt Aufweichung der CO₂-Ziele trotz Krise ab
Wie kann die europäische Autoindustrie die strengen CO₂-Grenzwerte der EU einhalten, ohne Millionen von Arbeitsplätzen zu gefährden? Ein internes Papier der Branche wirft beunruhigende Fragen auf.
Berlin/Brüssel. – Die europäische Autoindustrie steht wegen der strengen CO₂-Grenzwerte der EU vor einer schweren Krise. Ein internes Papier der Branche, das der Nachrichtenagentur dpa vorliegt, warnt vor massiven Arbeitsplatzverlusten. Die Autobauer haben Schwierigkeiten, die gesetzlich vorgeschriebenen CO₂-Grenzwerte für ihre Flotten einzuhalten. Der einzige Ausweg sei eine drastische Drosselung der Produktion, was wiederum Millionen Arbeitsplätze in der EU gefährden könnte.
Die EU hat klare Grenzwerte für den CO₂-Ausstoß von Kraftfahrzeugen festgelegt. Ab 2025 soll der Grenzwert auf rund 94 Gramm CO₂ pro Kilometer sinken, bis 2030 wird eine weitere Senkung auf 49,5 Gramm angestrebt. Derzeit liegt der Grenzwert bei 115,1 Gramm. Die Industrie befürchtet, dass die Einhaltung dieser Vorgaben nur durch die Schließung mehrerer Produktionsstätten und eine deutliche Reduzierung der Fahrzeugproduktion möglich ist. Dies würde die Schließung von rund acht Werken und damit den Verlust von Millionen Arbeitsplätzen bedeuten.
Regierung lehnt Aufweichung der CO₂-Ziele ab
Trotz der Krise in der Autoindustrie hat die deutsche Bundesregierung Forderungen nach einer Lockerung der CO₂-Ziele zurückgewiesen. Der Sprecher des von Steffi Lemke (Grüne) geführten Bundesumweltministeriums betonte, die meisten Hersteller hätten ihre Lücken auch bei den bisherigen Zielwerten schließen können, obwohl diese zum Teil höher gewesen seien als die jetzigen. Volkswagen hatte unter anderem durch VW-Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch auf eine Anpassung der Ziele gedrängt, da die Nachfrage nach Elektroautos hinter den Erwartungen zurückgeblieben sei. Pötsch betonte die Notwendigkeit, die CO₂-Ziele für 2025, 2030 und 2035 an die Realität anzupassen.
Die EU-Pläne zur Verschärfung der CO₂-Grenzwerte stoßen nicht nur in der Autoindustrie auf Kritik, sondern auch im EU-Parlament auf Widerstand. Der CDU-Europaabgeordnete Peter Liese sprach sich für Technologieoffenheit aus und plädierte dafür, Fahrzeuge mit klimaneutralen Kraftstoffen auch nach 2035 zuzulassen. In Deutschland lehnt die FDP die Wiedereinführung von Kaufprämien für Elektroautos ab, wie sie der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil vorgeschlagen hat. FDP-Fraktionschef Christian Dürr bezeichnete die Idee als „abwegig“ und sprach sich für eine Abschaffung der Flottenregulierung und das Aus für Verbrennungsmotoren aus.
Wirtschaftliche Lage der Automobilindustrie
Die Lage der deutschen Automobilindustrie ist prekär (FREILICH berichtete). Vor allem die Zulieferer sind stark unter Druck geraten, was zu zahlreichen Stellenstreichungen und Insolvenzen geführt hat. Nach Angaben des Bundeswirtschaftsministeriums sind die Schwierigkeiten der Branche auf eine Kombination aus Nachfragerückgang auf den Weltmärkten, den Auswirkungen der Corona-Pandemie, dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine und Lieferengpässen bei Rohstoffen zurückzuführen.
Für die europäische Automobilindustrie bleibt es eine große Herausforderung, die geplanten CO₂-Ziele zu erreichen, ohne die wirtschaftliche Stabilität und Millionen von Arbeitsplätzen zu gefährden. Der Druck, die Umweltziele zu erreichen, könnte weitreichende Folgen für die Industrie haben, die sich bereits in einer schweren Krise befindet. Die kommenden Jahre werden entscheidend sein, um ein Gleichgewicht zwischen Umweltschutz und wirtschaftlicher Stabilität zu finden.