Grüner Staatssekretär Kellner: Volkswagen hat Markt für Elektromobilität verschlafen
Michael Kellner, Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, kritisierte im Deutschlandfunk den kriselnden Volkswagen-Konzern wegen fehlender bezahlbarer Elektroautos und warnte vor der Konkurrenz aus China.
Berlin/Wolfsburg. – Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, Michael Kellner (Bündnis 90/Die Grünen), hat Volkswagen scharf kritisiert. In einem Interview mit dem Deutschlandfunk sagte er, VW habe „keine bezahlbaren Elektroautos“ entwickelt und den Markt für Elektromobilität verschlafen. Die Versäumnisse der Vergangenheit machten sich nun bemerkbar und die Konkurrenz aus China sei auf der Überholspur. Kellner riet zudem, neue Kaufanreize für E-Fahrzeuge zu schaffen, etwa durch staatliche Leasingprogramme. Trotz der ernsten Lage erteilte er Standortschließungsplänen eine klare Absage, da diese in eine „Sackgasse“ führen würden.
Sparmaßnahmen und Konflikt mit der Gewerkschaft
Volkswagen hat in der jüngsten Tarifrunde in Wolfsburg erstmals konkrete Sparvorschläge vorgelegt. VW-Verhandlungsführer Arne Meiswinkel sprach von einer notwendigen „Entlastung bei den Arbeitskosten“ und forderte eine Senkung der Tariflöhne um zehn Prozent. Dies sei unerlässlich, um die Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten. Die IG Metall zeigte sich empört: Niedersachsens IG-Metall-Bezirksleiter Thorsten Gröger nannte die Pläne „nicht akzeptabel“ und kritisierte eine lange Liste von Sparmaßnahmen, die auch den Abbau von Ausbildungsplätzen beinhalte.
„Diese Giftliste, die Volkswagen uns da vorgelegt hat, die ist relativ lang“, sagte Gröger und betonte, dies sei „kein gangbarer Weg“. Zugleich begrüßte die Gewerkschaft, dass VW offenbar offen für Gespräche über den Erhalt von Standorten ohne Schließungen sei und damit ein sofortiges Scheitern der Verhandlungen zunächst abgewendet werden konnte. Die nächste Tarifrunde ist für den 21. November geplant.
Mögliche Werksschließungen geplant
Die Lage spitzt sich weiter zu: Volkswagen plant nach Angaben des Betriebsrats die Schließung von mindestens drei Werken in Deutschland (FREILICH berichtete). Konzernbetriebsratschefin Daniela Cavallo sagte, die Arbeitnehmervertreter seien über entsprechende Pläne des Managements informiert worden. Vor allem das Werk in Osnabrück stehe unter Druck, nachdem ein geplanter Auftrag von Porsche für den Standort weggefallen sei.
Cavallo warnte, dass betriebsbedingte Kündigungen nicht ausgeschlossen werden könnten und zunehmend über die Verlagerung ganzer Produktionsbereiche ins Ausland nachgedacht werde. „Alle deutschen VW-Werke sind von diesen Plänen betroffen. Keines ist sicher“, sagte sie. Volkswagen betreibt derzeit zehn Werke in Deutschland, davon sechs in Niedersachsen, drei in Sachsen und eines in Hessen.
Gewinnrückgang und Verluste in China belasten den Konzern
Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten spiegeln sich auch in den jüngsten Geschäftszahlen wider: Das operative Ergebnis von Volkswagen brach im dritten Quartal im Vergleich zum Vorjahr um mehr als 40 Prozent auf 2,9 Milliarden Euro ein, die operative Rendite sank von 6,2 auf 3,6 Prozent. Besonders stark wirkte sich die Nachfrageschwäche in China auf das Ergebnis aus: Der Gewinn nach Steuern sank um 63,7 Prozent auf 1,58 Milliarden Euro. Finanzvorstand Arno Antlitz sprach von einem „herausfordernden Marktumfeld“ und betonte die Bedeutung der neuen Effizienzprogramme. Die Anleger reagierten jedoch vergleichsweise gelassen, die VW-Aktie legte im frühen Handel leicht zu.
Volkswagen steht vor der Herausforderung, den Sparkurs konsequent umzusetzen, ohne die eigenen Standorte in Deutschland durch Schließungen und Entlassungen zu gefährden. Parallel dazu laufen die Tarifverhandlungen mit der IG Metall, in denen sich beide Seiten bislang unnachgiebig zeigen. Unternehmen und Gewerkschaft stehen damit vor einer entscheidenden Weichenstellung, die nicht nur die Zukunft von VW, sondern auch die der deutschen Automobilindustrie nachhaltig beeinflussen könnte.
Wandel in der Automobilindustrie
Denn: Der Verband der Automobilindustrie (VDA) rechnet im Zuge des Wandels der Branche hin zur Elektromobilität in den kommenden Jahren mit einem erheblichen Stellenabbau (FREILICH berichtete). Nach einer aktuellen Prognose werden rund 140.000 Arbeitsplätze, vor allem bei den auf Verbrennungsmotoren spezialisierten Zulieferern, wegfallen.
VDA-Präsidentin Hildegard Müller betonte, die Transformation sei eine „Mammutaufgabe“, der Arbeitsplatzabbau unvermeidbar und forderte politische Unterstützung. Andernfalls drohe ein schleichender Verlust der Wettbewerbsfähigkeit, weshalb positive Standortsignale entscheidend seien, so Müller.
AfD kritisiert: „Wirtschaftsfeindliche Politik“ für Krise verantwortlich
Die AfD-Fraktion im niedersächsischen Landtag sieht die Ursache für die wirtschaftliche Schieflage von VW in der Politik. Omid Najafi, wirtschaftspolitischer Sprecher der AfD-Fraktion, kritisierte die „wirtschaftsfeindliche Politik“ der vergangenen Jahre, die unter anderem durch die CO₂-Bepreisung und hohe Energiepreise erschwert worden sei. Die deutschen Autobauer seien durch diese Maßnahmen „in die Zange genommen“ worden und stünden im internationalen Wettbewerb unter erheblichem Druck.
Fraktionschef Klaus Wichmann nannte den geplanten Stellenabbau eine „katastrophale Nachricht“ und erklärte, VW habe „auf E-Mobilität gesetzt – und verloren“. Die AfD fordert angesichts der Lage Neuwahlen und eine „Entlastung der Industrie“ durch Bürokratieabbau und die Wiederinbetriebnahme von Kraftwerken.