Viel Meinung, wenig Wissen: Emilia Fester und die „Bismarck“-Affäre

In einer Funk-Produktion äußern sich mehrere Mitglieder des Deutschen Bundestages zu Fragen der deutschen Geschichte. FREILICH-Redakteur Mike Gutsing bewertet die Geschichtskultur unserer Volksvertreter und stellt die Frage: Warum werden wir von Schwachköpfen regiert?

Kommentar von
22.5.2023
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3 Minuten Lesezeit
Viel Meinung, wenig Wissen: Emilia Fester und die „Bismarck“-Affäre

Emilia Fester (Grüne) im Deutschen Bundestag

© IMAGO / photothek

„Der Bismarck ach was, wirklich? Der war Kanzler?“ So antwortete die 25-jährige Grünen-Abgeordnete Emilia Fester auf die Frage, wer 1871 Reichskanzler wurde. Da half es auch nicht, dass der Moderator Mirko Drotschmann, vielen bekannt als MrWissen2go, mit dem Hinweis „ein Mann, nach dem zum Beispiel ein Hering benannt wurde“ half. Als ich den kurzen Ausschnitt des knapp 13-minütigen Videos zum ersten Mal sah, dachte ich, es sei Teil einer schlechten, klassisch deutschen Satiresendung.

Doch das Video war durchaus ernst gemeint ebenso wie die Antwort und das völlig verdutzte Gesicht der grünen Bundestagsabgeordneten. In den sozialen Netzwerken hagelte es Hohn und Spott für die junge Frau, die noch zu Beginn der Legislaturperiode AfD-Politiker und deren Wähler für ihre „verlorene Jugend“ während der Corona-Pandemie verantwortlich gemacht hatte. Bei aller Freude über die Blamage der sonst so sendungsbewussten und meinungsstarken Frau Fester stellte sich bei mir schnell ein sehr flaues Gefühl in der Magengegend ein.

Auf Hohn und Spott folgt ein schlechtes Gefühl

Mit der deutschen Vergangenheit haben sich die Grünen in der jüngeren Vergangenheit immer wieder schwer getan. Geschichtspolitische Polemik, Zuspitzung und ideologische Rechthaberei mögen in einer Oppositionspartei erträglich und manchmal sogar hilfreich sein, in Regierungsverantwortung sind sie vor allem eines: peinlich. Damit ist nicht die ideologische Feindschaft gegen ein positives Bild der deutschen Geschichte gemeint, die bei den Grünen eher die Regel als die Ausnahme ist.

Seien es die Vorfälle um das Berliner Stadtschloss (Claudia Roth), der peinliche Auftritt bei der Rückgabe der sogenannten „Benin-Bronzen“ (Annalena Baerbock) oder die fadenscheinige Begründung für die Umbenennung des „Bismarck-Saals“ im Auswärtigen Amt (ebenfalls Baerbock). Während man in jeder Partei auf Hinterbänkler oder junge Abgeordnete treffen kann, die trotz wichtiger Funktionen in ihrem Ressort unzureichend informiert sind, ist die Prominenz bei Bündnis90/Die Grünen erschütternd.

Grüne Geschichtskultur

Das vordergründige Problem der Grünen ist, dass sie eine zutiefst im Globalismus verankerte Partei sind. Der historisch gewachsene Nationalstaat ist für sie bestenfalls ein zu überwindendes Hindernis auf dem Weg zur selig lebenden Menschheitsfamilie, schlimmstenfalls ein faschistisches Zwangskonstrukt, das zerstört werden muss.

 „Vaterlandsliebe fand ich stets zum Kotzen. Ich wusste mit Deutschland nie etwas anzufangen und weiß es bis heute nicht.“ (Robert Habeck)

Die antideutsche Haltung der Grünen muss nicht erst offenbart oder bewiesen werden. Die Abneigung gegen die eigene Herkunft ist offensichtlich, die Deutschen als historisch gewachsene Gruppe tauchen im Grundsatzprogramm etwa so auf: „In Deutschland leben Menschen zusammen, deren Familien bereits seit Generationen hier ansässig sind, sowie Menschen, die in jüngerer Zeit eingewandert sind.“ Wie kann es in einer solchen Partei eine Geschichtskultur geben, die über die mystifizierte Geburtsstunde am 8. Mai 1945 hinausgeht?

Parlamentsbetrieb im „KiKa“-Modus

Die jüngste Eskapade um die mangelnde Geschichtsbildung von Emilia Fester wäre bei einer anderen Partei als den Grünen zunächst ein internes Problem. Doch mit der jungen Fester zieht eine neue Ära in den Bundestag ein. Die junge Generation der Linken, vor allem aber der Grünen, ist an prominenter Stelle nicht mehr nur vorbelastet, sondern auch unbelastet. Die Roths und Göring-Eckardts müssen weder etwas von der eigenen Kultur noch von preußischen Tugenden verstehen. Die Fähigkeit zur politisch korrekten Einordnung ersetzt im bundesdeutschen Politzirkus Sachkenntnis und Professionalität.

Am Ende spielt es keine Rolle, ob die Deutschen oder die Engländer die „Benin-Bronzen“ erbeutet haben oder ob Bismarck Kanzler oder Generalpostmeister neben dem Kaiser war. Dass Frau Fester mit hipper Jugendfrisur und Kapuzenpulli durch den Bundestag spaziert, ist dann nur konsequent. Politik verkommt zur „Sendung mit der Maus“, man muss nur alles richtig erklären, der Bürger soll froh sein, dass wichtige Probleme angepackt werden.

Für die Geschichtskultur, den Umgang mit der Vergangenheit, bedeutet dies den vorläufigen Tiefpunkt. Der Brunnen der Geschichte ist versiegt, die linke Erinnerungskultur hat sich selbst obsolet gemacht und die politische Linke hat sich ihres stärksten Mittels zur Konditionierung der Bevölkerung beraubt. Eine geschichtsbewusste und gebildete Rechte kann aus dieser Erkenntnis ungeahnte Möglichkeiten entwickeln, steht aber auch vor der gewaltigen Herausforderung, ihr historisches Erbe einem Volk zu vermitteln, das es in weiten Teilen nicht einmal als bedeutsam erachtet.

Mit dem „Eisernen Kanzler“ ins 21. Jahrhundert

Welche Forderungen sollten sich aus der Unbildung linker Politikschranzen für Konservative und Rechte ergeben? Die Bildung, die das deutsche Schulsystem immer unzureichender vermittelt, muss auf eigenen Wegen nachgeholt werden. Geschichtsbewusstsein entsteht zum einen aus der Wertschätzung der Vergangenheit, zum anderen aus dem Wissen um die eigene Stellung in einer Kette von Vorfahren und Nachkommen. Für die jüngeren Generationen, für die Gemeinschaft als Ganzes bedeutet dies, Verwalter und nicht letzter Erbe der eigenen Geschichte zu sein und den Nachgeborenen die Möglichkeit zu geben, sich frei mit ihr auseinanderzusetzen. Nach fast 80 Jahren kastrierter Geschichtskultur ist dies eine gewaltige Aufgabe.

Die „deutsche Frage“, die durch die Agitation um den abstammungsbezogenen Volksbegriff wieder auf die Tagesordnung gerückt ist, wird ohne eine grundlegende Erneuerung der deutschen Geschichtskultur nicht zu lösen sein. Hier gilt einmal mehr das Wort des Reichsgründers Bismarck, der 1884 in einer Rede vor dem Reichstag sagte: „Kritik ist bekanntlich leicht, Kunst ist schwer“. Die Umkehrung der selbstzerstörerischen Kulturrevolution seit 1945 könnte das größte Kunstwerk der Deutschen werden die Leinwand ist gespannt, wer greift zum Pinsel?


Zur Person:

Mike Gutsing, Jahrgang 1999, hat Geschichte studiert und lebt in Mitteldeutschland. Das besondere Interesse des Korporierten gilt der deutschen Geschichte und Kultur.

Die in Gastbeiträgen geäußerten Ansichten geben ausschließlich die Meinung des jeweiligen Autors wieder und entsprechen nicht notwendigerweise denen der Freilich-Redaktion.
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