Wer gewinnt die US-Wahlen? Drei Gründe pro Kandidat im Check
Am 5. November sind in den USA rund 244 Millionen Wahlberechtigte aufgerufen, ihre Stimme bei der Präsidentschaftswahl abzugeben. Wer gewinnen wird, ist derzeit noch offen. Daniel Fiß nennt jeweils drei Gründe, die für einen Sieg von Donald Trump (Republikaner) oder Kamala Harris (Demokraten) ausschlaggebend sein könnten.
Die Gründe für Trump
1. Die letzten Meter der Kampagne
Mag die Kampagne anfangs auch Startschwierigkeiten gehabt haben, so hat er insbesondere die letzten drei Wochen ordentlich Meter gut gemacht und sich in vielen Battleground-States auf einen Gleichstand bis hin zur leichten Führung herangekämpft. Der Zuckerrausch und das Momentum der Harris-Kampagne sind vorbei. Trump konnte in den letzten Tagen mittels der McDonalds- und „Müllmann-Nummer“ nochmal den News-Cycle dominieren, während Harris von ihrem Team nur noch in wohlwollende Talksendungen und Interviews gesetzt wurde, um die eigene Fehleranfälligkeit der Kampagne zu minimieren.
2. „Early-Voting Turnout“
Die Demokraten haben bei den frühen Wahlregistrierungen (laut interner Einschätzung der Trump-Kampagne) massive Mobilisierungsprobleme in den Swing States. Grundsätzlich war die frühe Wahlbeteiligung immer die Domäne der Demokraten. Vor allem in den urbanen Zentren der Swing States sind es ausgerechnet die für sie wichtigen Wählerblöcke wie Latinos, Schwarze und junge Wähler, die ihre Stimme noch nicht abgegeben haben. Die Trump-Kampagne soll hingegen in der Early-Voting-Kampagne noch besser sein als 2016 und 2020 – zugleich sind die republikanischen Wähler am Wahltag selbst ohnehin nochmal stärker präsent. Die Demokraten versuchen damit zurechtzukommen, indem sie behaupten, dass es angeblich massive Wählerwanderungen von registrierten Republikanern in Richtung Harris gäbe. Vereinzelt mag das zutreffen, aber sicher nicht in Dimensionen, mit denen einige demokratische Strategen jetzt die eigenen Anhänger versuchen zu beruhigen.
3. Unzufriedenheit und Polarisierung
70 Prozent der Amerikaner sind mit der Regierung unzufrieden. Harris’ Beliebtheitswerte sind kaum besser als die von Biden und sie vermochte es auch nicht, sich glaubhaft von der katastrophalen Biden-Kampagne zu emanzipieren. Für die Amerikaner ist die Wirtschaft eines der wichtigsten Themen der Kampagne. Hier kann Trump stets die tatsächlich guten Werte seiner Amtszeit mit denen der Biden/Harris-Administration in Kontrast stellen. Natürlich hatten die Demokraten keine andere Wahl, als Biden aus dem Rennen zu nehmen. Doch mit der Harris-Kandidatur konnte man kaum den Wunsch nach politischer Alternative und Veränderung bedienen. Sie war lediglich die Kandidatin, mit der man die gesamte Kampagne der Demokraten nicht unverzüglich in den Müll werfen musste und die Motivation der eigenen Blase hochhalten konnte. Dass sie unentschlossene Wähler in Massen begeistern hätte können, gilt als unwahrscheinlich.
Die Gründe für Harris
1. Mehr Geld und mehr Struktur
Wahlkämpfe in den USA werden nicht nur durch die kommunikative Performance entschieden, sondern vor allem durch die Logistik und Organisation der jeweiligen Kampagnen. Die Demokraten dominieren immer das „Ground-Game“. Harris hat in den wichtigen Swing States knapp 600 Mio. Dollar hineingepumpt – Trump „nur“ 430 Mio. Dollar. Zusätzlich haben die Demokraten mehr Teams und freiwillige Helfer im Haustürwahlkampf und auf den Veranstaltungen. Auf den letzten Rallys konnte Harris zuletzt deutlich mehr Anhänger mobilisieren als Trump, der zuweilen in halbleeren Hallen sprach. Kein entscheidender Faktor, aber zumindest doch ein Indiz, dass Harris zumindest in den entscheidenden Staaten doch nochmal einen Mobilisierungsschub bekommen hat. Klar, Geld allein gewinnt keine Wahlen. Aber es ist ein Indiz für die Potenz einer Kampagne.
2. Demografie: Städte und (ältere) Frauen
Schon 2020 waren es in den wichtigen Battleground-States die urbanen Zentren (Philadelphia, Detroit, Atlanta, Las Vegas, Phoenix), die Trump das Genick gebrochen haben. Die rot eingefärbten Wahlkarten sind nichts wert, wenn die blauen Inseln (Städte) die entscheidenden Stimmenbatterien für die Demokraten sind. Und die Städte und ihre Vororte wachsen, während der Anteil der Landbevölkerung kontinuierlich abnimmt. Gerade unter weißen Vorstädtern soll Harris bereits mehr Zustimmung erreichen als Biden 2020. Bei der ethnischen Wahl könnte zwar die schwache Earl-Vote-Mobilisierung ein Nachteil für die Demokraten sein. Doch Trump macht hier hingegen kaum Fortschritte (obwohl sein Team, anfänglich sehr stark auf Wähler der Schwarzen- und Latino-Community gesetzt hat). Eine Zahl, die das Trump-Team in jedem Fall beunruhigt, ist das Interesse an der US-Wahl unter Frauen. Nur 74 Prozent der Männer und 80 Prozent der Frauen geben an, dass sie ein starkes Interesse an der US-Wahl haben. Das zeigen auch die Frühregistrierungen. Die Frauen dürften mit ziemlicher Sicherheit keine Trump-affine Wählergruppe sein. Am Wahltag müssten sich in den Schlangen vor den Wahllokalen primär Männer einfinden, um diese Mobilisierungslücke zu schließen.
3. Sie ist eine schwarze Frau und nicht Trump
So banal das auch klingen mag, aber Harris ist eben nicht Trump und ist für das liberale Establishment der perfekte Bingo-Kandidat. Während sich bei der Clinton-Kandidatur (2016) und bei Biden (2020) noch viele linksliberale Milieus nur zähneknirschend hinter die Demokraten stellten, sind sie jetzt mit dem Kandidatenprofil von Harris deutlich aufgeschlossener (wenn auch nicht vollends zufrieden). Das könnte schon entscheidend sein, wenn die männliche Mobilisierung nur schleppend vorankommt. Insbesondere die Polarisierung in der Abtreibungsfrage dürfte, wie schon in Punkt zwei beschrieben, ein starker Faktor sein. Viele demokratische Strategen waren in den letzten Tagen unter anderem aufgrund einer Umfrage in Iowa (recht sicherer Trump-Staat) außerordentlich überrascht, dass Harris dort führt. Zuletzt hat dort Obama 2012 überhaupt irgendwas für Demokraten gewonnen. Das heißt, wenn es in den Swing States ein enges Kopf-an-Kopf-Rennen gibt, aber sicher geglaubte Republikaner-Staaten kippen, ist laut Beobachtern das Mobilisierungsmomentum eher aufseiten der Demokraten, was sich dann auch landesweit widerspiegeln könnte.