Kreutner-Kommission legt 230-seitigen Bericht vor – Reformen gefordert
Das Auftauchen eines heimlich mitgeschnittenen Tonbandes, auf dem der verstorbene Ex-Sektionschef Christian Pilnacek über die Einflussnahme der ÖVP auf die Justiz spricht, war Anlass für eine eigene Untersuchungskommission. Nach mehrmonatiger Arbeit legte sie am Montag ihren Bericht vor.
Wien. – Nach sieben Monaten intensiver Arbeit hat die vom Justizministerium eingesetzte Untersuchungskommission zur Causa Pilnacek am Montag ihre Ergebnisse präsentiert. Unter der Leitung von Martin Kreutner bestätigte die Kommission Einflussnahmen und parteipolitische Bestrebungen zur Schwächung der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA).
Kreutner lobte das österreichische Justizsystem als hochprofessionell und kompetent, kritisierte aber die fehlende Äquidistanz zwischen Justiz und Politik sowie Medien. „Es hat diese Interventionen gegeben“, sagte Kreutner und betonte, dass diese Einflussnahmen sowohl die ÖVP als auch andere Parteien betroffen hätten.
Hintergrund der Untersuchung
Die interdisziplinäre Kommission wurde aufgrund einer Tonbandaufnahme des verstorbenen ehemaligen Justizsektionschefs Christian Pilnacek eingesetzt. Darin beschrieb Pilnacek, wie die ÖVP wiederholt die Einstellung von Ermittlungen und die Unterbindung von Hausdurchsuchungen forderte. Kreutner leitete die weisungsunabhängige Kommission und erstattete auch Anzeige bei der Staatsanwaltschaft, was zu Ermittlungen der WKStA führte.
Der Bericht umfasst 230 Seiten und stützt sich auf verschiedene Quellen, darunter Pilnaceks Laptop, 60 Befragungen sowie Akten und Berichte aus den vergangenen 14 Jahren. Die Kommission kam zu zehn zentralen Befunden, darunter die Feststellung, dass das Justizsystem im internationalen Vergleich gut abschneide, aber durch „hochproblematische Phänomene“ wie eine „Zweiklassenjustiz“ und mangelnde Transparenz belastet sei.
Als Konsequenz forderte die Kommission die Einrichtung einer unabhängigen Generalstaatsanwaltschaft, über deren Ausgestaltung die Koalitionspartner ÖVP und Grüne seit Längerem verhandeln. Justizministerin Alma Zadić (Grüne) betonte die Notwendigkeit dieser Institution, um die Widerstandsfähigkeit und Unabhängigkeit der Justiz zu stärken.
FPÖ kritisiert „tiefen Staat“
Die Reaktionen auf den Bericht waren unterschiedlich. Während die ÖVP den Bericht nicht im Detail kommentieren wollte, da er noch nicht veröffentlicht sei, zeigte sich die SPÖ alarmiert und forderte Reformen, darunter eine unabhängige Bundesstaatsanwaltschaft. Ähnlich äußerte sich NEOS-Klubobmann Nikolaus Scherak, der die Liste der Verfehlungen als erschreckend bezeichnete.
FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker sprach von einem „tiefen Staat“ der ÖVP und forderte einen weiteren Untersuchungsausschuss zu den Vorgängen nach Pilnaceks Tod. FPÖ-Justizsprecher Harald Stefan kritisierte hingegen die Forderung nach einer Oberstaatsanwaltschaft als zu mächtig und ohne ausreichende parlamentarische Kontrolle.
Kreutner und seine Mitstreiter, der ehemalige Präsident des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs, Peter Küspert, und die Präsidentin des Landesgerichts Feldkirch, Angelika Prechtl-Marte, betonten die Notwendigkeit, den Instanzenzug der Staatsanwaltschaft zu beschränken und die gerichtliche Kontrolle zu stärken. Dies sei insbesondere bei prominenten Fällen wichtig, um Verzögerungen und „Ehrenrunden“ zu vermeiden.
Der Bericht macht deutlich, dass es trotz eines grundsätzlich gut funktionierenden Justizsystems erhebliche Defizite und politische Einflussnahmen gibt, die dringend angegangen werden müssen. Die Diskussion um die Einrichtung einer Generalstaatsanwaltschaft dürfte nach diesen Enthüllungen weiter an Fahrt gewinnen.