Freilich #32: Süchtig nach dem Kick

Redefreiheit: Ehemaliger Bundesverfassungsrichter warnt vor „Quasi-Zensur“

Hans-Jürgen Papier warnt vor einer bedenklichen Einschränkung der Meinungsfreiheit in Deutschland. Er sieht die Gefahr einer „Quasi-Zensur“ ohne demokratische Kontrolle.

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Redefreiheit: Ehemaliger Bundesverfassungsrichter warnt vor „Quasi-Zensur“

Hans-Jürgen Papier bezweifelt unter anderem die Verhältnismäßigkeit der Hausdurchsuchung bei einem Rentner in der „Schwachkopf“-Affäre um Robert Habeck.

© IMAGO / Metodi Popow

Berlin. – Die deutsche Justiz gerät wegen ihres Vorgehens gegen sogenannte Hassreden zunehmend in die Kritik. Der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, äußert erhebliche Zweifel an der Verhältnismäßigkeit von Hausdurchsuchungen und warnt vor einer „Quasi-Zensur“ durch private Organisationen.

Habeck und der „Schwachkopf“-Beitrag

Ein konkreter Fall erregte Aufsehen: Ein Internetpost, in dem ein Konterfei des Wirtschaftsministers Robert Habeck sowie der Text „Schwachkopf Professional“ zu sehen war, führte im Herbst 2024 zu einer Hausdurchsuchung bei einem Rentner in Bayern. Ähnliche Maßnahmen gab es nach Beleidigungen gegen die Politiker Dorothee Bär (CSU) und Friedrich Merz (CDU).

Papier kritisiert dieses Vorgehen scharf. „Bei der Verwendung des Wortes 'Schwachkopf' im Zusammenhang mit einer politischen Auseinandersetzung habe ich erhebliche Bedenken, ob diese Äußerung strafrechtlich relevant ist“, erklärt er. Er äußert auch Zweifel an der Verhältnismäßigkeit der Durchsuchung: „Bei der konkreten Maßnahme der Hausdurchsuchung, bezweifle ich, ob sie allein aufgrund dieser Äußerung verhältnis- und rechtmäßig war.“

Private Akteure mit staatlicher Legitimation

Besondere Sorge bereitet Papier die Rolle privater Akteure bei der Kontrolle von Meinungsäußerungen im Internet. Die Bundesnetzagentur zertifiziert sogenannte Trusted Flagger, die befugt sind, Beiträge auf Social-Media-Plattformen zur Löschung vorzuschlagen. „Es droht eine Quasi-Zensur. Echte Zensur ist das zwar nicht, die würde vom Staat ausgehen. Aber ich halte es für bedenklich in doppelter Hinsicht: Einmal, die Prüfung von Meinungsäußerungen auch im Vorfeld strafrechtlicher Relevanz und dann noch durch private Einrichtungen, die mitunter staatlich finanziert werden, aber keiner demokratischen Legitimation und Kontrolle unterliegen“, so Papier.

Er warnt zudem vor der Machtfülle zivilgesellschaftlicher Organisationen: Es sei „gefährlich, wenn zivilgesellschaftliche Organisationen für sich den Alleinanspruch geltend machen, zu wissen, was Demokratie bedeutet, diese Demokratie ausschließlich in ihrem Sinne schützen zu wollen, und dabei einen entsprechenden Druck auf staatliche Institutionen ausüben.“

Justiz in der Kritik

Zuletzt hatte auch ein Bericht des US-Senders CBS für Aufsehen gesorgt, in dem drei Göttinger Staatsanwälte über Durchsuchungen wegen Äußerungen berichteten, die sie als strafbar erachteten. In der Sendung fragt die CBS-Reporterin etwa: „Wie reagieren die Leute, wenn Sie ihnen das Handy wegnehmen?“ Der Göttinger Oberstaatsanwalt antwortet: „Sie sind schockiert. Es ist eine Art Bestrafung, wenn man sein Smartphone verliert.“ Thomas Fischer, ehemaliger Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof, kritisiert diese Darstellung scharf: „Es widerspricht der Verfassung und der staatsanwaltschaftlichen Dienstaufgabe. Die Beschlagnahmung eines Beweismittels ist keine ‚Strafe‘.“ Sein Urteil: „Die Selbstpräsentation der Justiz war von befremdlicher Unprofessionalität und laienhaft.“

Anonyme Stimmen aus der Justiz zeigen sich ebenfalls besorgt über die Göttinger Staatsanwälte. Ein Staatsanwalt aus Nordrhein-Westfalen meinte gegenüber der Welt am Sonntag: „Das erschüttert das Vertrauen normaler Bürger in den Rechtsstaat.“ Ein anderer bezweifelt, „ob vor der Hausdurchsuchung alle milderen Ermittlungsmöglichkeiten ausgereizt waren.“

Gesellschaftliche Folgen und politische Steuerung

Auch die politische Dimension der Schwerpunktstaatsanwaltschaften bleibt umstritten. Ein bayerischer Staatsanwalt meint gegenüber der Welt: „Es ist politisch gewollt, dass Schwerpunktabteilungen für Hasskriminalität besser ausgestattet werden als andere.“ Ein Berliner Kollege beobachte eine zunehmende Bereitschaft, die Meinungsfreiheit einzuschränken, obwohl er die Arbeit der Justiz grundsätzlich für gut halte.

Kritisch äußert sich Hans-Jürgen Papier auch zur Ausweitung der Beobachtungskategorien des Verfassungsschutzes, insbesondere zum Begriff der „Delegitimierung des Staates“. Er warnt: „Ich halte diese Begriffsverwendung für eine Überziehung des verfassungsschutzrechtlichen Auftrags.“ Besonders problematisch sei es, wenn der Verfassungsschutz Meinungsäußerungen auch unterhalb der strafrechtlichen Grenzen registriere. Er geht noch weiter und kritisiert den ehemaligen Verfassungsschutzpräsidenten Thomas Haldenwang scharf: „Ein Verfassungsschutzpräsident darf keine Politik betreiben. Es ist in meinen Augen eine Grenzüberschreitung, wenn er sich als eine Art Sprach- und Gesinnungspolizei betätigt.“ Die zuständige Bundesinnenministerin Nancy Faeser habe ihn hier nicht ausreichend in die Schranken verwiesen.

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