Verfassungsschutz-Insider packt aus und warnt vor Verlust des Rechtsstaats

Gregor S., Mitarbeiter des deutschen Verfassungsschutzes, warnt vor einer zunehmenden Überwachung unbescholtener Bürger und einer Aushöhlung des Rechtsstaates. Der 36-jährige Inlandsgeheimdienstler berichtet über Missstände in der Behörde und zieht Parallelen zu Überwachungspraktiken in der DDR.

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Verfassungsschutz-Insider packt aus und warnt vor Verlust des Rechtsstaats

Dirk-Martin Christian ist seit 2020 Präsident des Landesamtes für Verfassungsschutz Sachsen.

© IMAGO / Max Stein

Gregor S., der aus Sicherheitsgründen im Bericht der Schwäbischen Zeitung anonym bleibt, begann seinen Dienst beim Verfassungsschutz mit der Motivation, Deutschland vor extremistischen Bedrohungen zu schützen. Er arbeitete zunächst bei der Bundeswehr und dem hessischen Verfassungsschutz, bevor er in Sachsen als Vertrauensperson-Führer tätig wurde. Dort sammelte er Informationen über extremistische Bestrebungen. Doch inzwischen ist er selbst ins Visier der Behörde geraten, nachdem er interne Missstände öffentlich gemacht hat.

Mangelnde Sicherheitsmaßnahmen

Gregor S. ist bei seiner täglichen Arbeit auf erhebliche Sicherheitslücken gestoßen. So gebe es beispielsweise keine unregistrierten SIM-Karten für den Einsatz, was die Anonymität gefährde. Die Einsatzfahrzeuge seien auf das Innenministerium zugelassen und könnten daher leicht zurückverfolgt werden. Diese Mängel würden den Mitarbeitern und ihren Quellen unnötige Risiken aussetzen. S. kritisiert auch die unzureichende Selbstverteidigungsausbildung der Kollegen, was ihre Sicherheit im Einsatz zusätzlich gefährde. Die Bürokratie erschwere die Arbeit der Verfassungsschützer erheblich. Schutzteams müssten umständlich beantragt werden, was im Ernstfall zu gefährlichen Verzögerungen führe. Hinzu kämen zeitraubende Diskussionen mit der Abrechnungsstelle über Ausgaben bei Einsätzen, die die tägliche Arbeit zusätzlich erschwerten.

Gregor S. berichtet, dass der Verfassungsschutz zunehmend unbescholtene Bürger ins Visier nehme, anstatt sich auf ernstzunehmende Extremisten zu konzentrieren. Als Beispiel nennt er die neue Kategorie der „verfassungsschutzrelevanten Delegitimierung des Staates“, durch die Menschen schon bei legaler Kritik unter Verdacht geraten. In dieser Entwicklung sieht er eine gefährliche Instrumentalisierung des Dienstes für politische Zwecke. „Was gestern legale Kritik war, kann heute ein Grund sein, ins Visier des Verfassungsschutzes zu geraten“, heißt es in dem Bericht. „Es gibt Informationen, die sollen aufgenommen werden, die werden dann auch weiterverarbeitet und daraus erfolgen dann auch weitere Maßnahmen. Und es gibt Informationen, die sind nicht erwünscht, die sind unbequem. Und die werden dann ignoriert.“ Weiter: „Informationen mit Bezug auf extremistische Tendenzen oder Entwicklungen, auf radikale Strömungen innerhalb etablierter Parteien. Die möchte man nicht sehen und nicht hören.“ Konkret werden Fälle in den Parteien SPD, Grüne und Linke genannt.

Konsequenzen für S.

Nachdem Gregor S. seine Kritik intern geäußert habe, so heißt es im Bericht, sei er zum Sicherheitsrisiko erklärt worden. Seine dienstliche Beurteilung habe sich verschlechtert, ihm seien Fehler vorgeworfen und schließlich die Sicherheitsermächtigung entzogen worden. Ein Disziplinarverfahren sei eingeleitet worden. Seine Anwältin Christiane Meusel, selbst ehemalige Verfassungsschützerin, bezeichnet diese Maßnahmen als gezielte Einschüchterung. Gregor S. fordert nun eine öffentliche Debatte über die verkrusteten Strukturen und Missstände beim Verfassungsschutz. S. warnt vor den langfristigen Folgen für den Rechtsstaat und sieht eine Pervertierung der nach dem Zweiten Weltkrieg etablierten Werte. Der Verfassungsschutz werde zunehmend politisch instrumentalisiert und verliere dadurch seine Neutralität.

Das Bundesamt für Verfassungsschutz reagierte laut der Zeitung auf die Vorwürfe mit einem Verweis auf einen Artikel seines Präsidenten Thomas Haldenwang, in dem die Grenzen der Meinungsfreiheit betont werden. Eine direkte Stellungnahme zu den konkreten Vorwürfen von Gregor S. blieb aus. Gregor S. hofft, dass sein Gang an die Öffentlichkeit dazu beiträgt, Missstände aufzudecken und eine kritische Diskussion anzustoßen.

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